Über den Dächern von Cambridge
von Susanne Pichler, 30. Mai 2017
Gray, der titelgebende Protagonist in Leonie Swanns neuem Roman, ermittelt gemeinsam mit seinem temporären Halter, Dr. Augustus Huff, in der Stadt, die wie keine zweite für Bildung und Wissen steht: Cambridge!
Dr. Augustus Huff, geboren auf den Äußeren Hebriden, Anthropologe und Dozent in Cambridge, lebt ein Leben, das einerseits vom Geiste Cambridges und andererseits von einer Reihe Zwangshandlungen geprägt wird. Als einer seiner Studenten, ein zukünftiger Lord, beim Fassadenklettern abstürzt und stirbt, wird er zum vorübergehenden Aufpasser von dessen hochintelligentem Graupapagei, Gray, ernannt. Gray ist nicht unbedingt der ideale Gefährte für einen Menschen, dessen Tagesablauf von starren Ritualen und Handlungen bestimmt ist. Dennoch sind die beiden einander rasch in echter Zuneigung verbunden.
Durch Gray wird Huff, wie ihn der sprachgewandte Papagei nennt, aber auch mehr und mehr in die mysteriösen Begleitumstände, die den Tod von Elliot umgeben, hineingezogen. Zunächst widerwillig und überfordert beginnt Huff seine Ermittlungen, die ihn ebenso wie Elliot auf die Dächer von Cambridge führen. Nach und nach deckt er ein perfides Netzwerk aus Lügen, Verrat und Liebe auf. Es ist beinahe rührend, wie er dabei versucht, sowohl seinen lebenden Studenten als auch Elliot gerecht zu werden.
Die Lösung des Falles liegt lange im Verborgenen und Leonie Swann präsentiert den wahren Mörder erst sehr spät.
Die beiden Hauptfiguren, Dr. Huff und Gray, sind wunderbar gelungen. Augustus Huff ist liebenswürdig und überrascht mit besonderen Talenten. Einen begnadeten Fassadenkletterer hätte niemand in ihm vermutet. Gray ist schlagfertig, witzig und ein starker Charakter. Cambridge glänzt als Stadt des Geschehens. Die Colleges, der River Cam, die Studenten und Professoren, all dies bildet einen perfekten Rahmen für einen Mordfall in Studentenkreisen.
Doch leider fehlt dem Roman der komplette Spannungsbogen. Von der ersten bis zur letzten Seite verläuft die Handlung linear. Egal ob Dr. Huff einen Verdächtigen durch Cambridge verfolgt oder über die Dächer der Kapelle des King's College klettert, es entsteht keine Spannung. Obwohl Leonie Swann die Atmosphäre von Cambridge wunderbar einfängt und sowohl ihre Haupt- als auch ihre Nebenfiguren überzeugen, fehlt es der Handlung durchgehend an Schärfe und Überzeugung. Alles in allem ist "Gray" nett zu lesen, mehr aber auch nicht.
von Renate Noeckler Buchhandlung Heyn, 21. Mai 2017
Dieser Krimi hat mir ein höchst amüsantes Wochenende beschert! Weitgehend unblutig, aber raffiniert, mit ganz speziellen Einblicken in das Universitätsleben von Cambridge ? und vor allem mit viel klugem Witz, nicht zuletzt wegen der beiden Protagonisten: wie der liebenswert sonderbare Dr. Augustus Huff und der schlaue, wortgewandte Graupapagei Gray, den er unfreiwillig adoptiert, den Mord an seinem Vorbesitzer aufklären, ist manchmal zum Brüllen komisch und dann wieder sehr berührend. Wunderbare Unterhaltung mit Spaß und Spannung!