Polyamorie: persönliche Kommentare
17. November 2015
Ich finde, dass diese Diplomarbeit von Sina Muscarina sehr gut geschrieben ist. Das Buch hat eine klare Struktur und die Recherche ist methodisch gemacht worden. Zuerst wird ganz klar erläutert, dass das Konzept von Monogamie ein soziales Konstrukt ist. Von
Natur aus ist der Mensch nicht monogam. Dieses Konstrukt dient der Westlichen kapitalistischen Welt, die auf dem Konzept Heteromonormativität basiert. Was ausserhalb dieser Perspektive steht, wird oft nicht verstanden und als Gefahr für das kapitalistische System gesehen, wo die sogennante ?Kernfamilie? praktisch als einziges Modell dient. Es
handelt sich hauptsächlich um ein Modell mit einem weissen heterosexuellen Vater, der am meisten verdient, Karriere macht und deswegen dem kapitalistischen System dient.
Alles andere bedroht dieses System, obwohl ich denke, dass dies auch eine Paradoxie des Kapitalismus ist. Die Menschen werden heutzutage gezwungen, länger arbeiten zu
müssen und für weniger Geld. Diese psychische und physische Last verursacht Ängstlichkeit, Depressionen und andere Erkrankungen, die auch traditionelle Familien zerstören.
In Polyamorie und durch die verschiedenen Menschen, die Sina Muscarina für ihre Recherche interviewt, erfährt man als Leser, dass es Personen gibt, die diese
Heteromonormativität in Frage stellen. Diese Menschen sind nicht gegen Monogamie. Es ist nur, dass sie eine monogamische Welt verlassen, weil sie darin nicht passen können.
Das ergibt sich aus ihren Biographien. Durch eine persönliche Entwicklung, die leider einen schmerzhaften Prozess für sie bedeutet, stellen sie fest, dass polyamoröse Beziehungen die enzige Alternative für sie sind. Sie können sich endlich abfinden und erfolgreiche Lösungen suchen. In dieser Hinsicht bilden sie neue Wege für inklusive
Gemeinschaften in unserer Gesellschaft. Sie tun das sehr verantwortungsvoll und nicht auf eine frivole oder oberflächliche Weise, wie sehr oft aus einer monogamischen Perspektive betrachtet wird. Ich glaube, alle diese Aspekte werden sehr klar in dieser
Diplomarbeit erläutert. Ich denke auch, dass die Autorin anhand dieser Recherche beabsichtigt, dass wir als Leser eine andere Perspektive von polyamorösen Beziehungen
erfahren. Polyamoröse Menschen werden leider als disfunktional angesehen in diesem
mono-normativen Kontext. Man wirft ihnen Oberflächlichkeit und reine sexuelle Motivation vor. In dieser Hinsicht ist Sina Muscarina gelungen, diese Perspektive in den Lesern zu
wechseln.
Was ich auch sehr gut erläutert finde, sind die verschiedenen Lösungen in der
polyamorösen Kultur: Die Beziehungen mit Hierarchien mit einer Primär- und einer Sekundärbeziehung, wie Ellens Fall, oder ohne Hierarchien wie bei Walter, der eine neue
Definition für seine Beziehungen erfindet. Er nennt sie ?Liebesfreundschaften?. Seine
Erfahrung in der Hilfsgruppe, wo er Leute mit ähnlichen Erfahrungen trifft, finde ich auch sehr interessant zu analysieren. Er sieht, dass die polyamoröse Kultur sich nicht nur auf
Liebesbeziehungen bezieht. Sie geht viel weiter und stellt eigentlich eine
Lebensphilosophie dar, eine andere Weise, um viel mehr Aspekte unserer Gesellschaft nicht aus einer rein mono-normativen Perspektive zu betrachten. Er erwähnt zum Beispiel
Aspekte wie alternative Technologien und Ökologie:
"Deutlich wird hier, dass die Bedeutung dieser Alternative nicht nur polyamoröse Beziehungen umfasst, sondern darüber hinaus auch "alternative Technologien und
Ökologie" beinhaltet."
Ich denke auch, dass es viele andere Sorten von ?Monogamien? in unserer Gesellschaft gibt. Hier kann ich nur mit Menschen wie die katalanische polyamörose Schriftstellerin
Brigitte Vasallo zustimmen, wenn sie sagt, dass die Beziehung zwischen Spanien und Katalonien sehr oft aus einer monogamischen Perspektive betrachtet wird, wie eine Scheidung. Als Katalanin verstehe ich es sehr gut. Wir Menschen müssen uns aus vielen
?Monogamien? unserer aktuellen Gesellschaft befreien wie, zum Beispiel, den Waffenhandel, wo viele Menschen in Kriegen täglich sterben, oder die Autodiktatur, wo Autos immerhin die Könige in Verkehrsinfraestrukturen sind (klar, ein gutes Geschäft, wo
viel Geld investiert und verdient wird), gegen Mobilitätsalternativen wie die öffentlichen Verkehrsmitteln oder das Fahrrad. Diese nachhaltige Mobilität wird heutzutage noch diskriminiert in einer Welt, wo zu viele Autos verantwortlich für viele Probleme sind wie die Umweltverschmützung, den Klimawandel, viele Unfälle, Übergewicht unter der
Bevölkerung, andere Erkrankungen wegen der Umweltverschmützung und frühere Tode.
Das Konzept von Polyamorie geht viel weiter und umfasst wirlkich viel mehr als Liebesbeziehungen.
Marta Pombo Sallés,
Barcelona,
Katalonien