Es ist nie zu spät, neu zu beginnen
von Bellis-Perennis, 24. April 2018
Autorin Elfriede Hammerl ist vielen Lesern auch als Kolumnistin in verschiedenen Magazinen bekannt, wo sie mit bissigem Schreibstil zu gesellschaftspolitischen Themen kritische Kommentare schreibt.
Dieses Buch ist ein wenig anders. Auf den ersten Blick erscheint es nicht so spritzig oder humorvoll. In neun Geschichten lässt sie unterschiedliche Frauen über deren Leben Bilanz ziehen. Manchmal aus Sicht der Ehefrau, der Geliebten, Tochter oder einfach der alten einsamen Frau, die von ihren Pflegerinnen abhängig ist und ihrer eigenen Persönlichkeit beraubt wird.
Es sind Geschichten, die das Leben von Frauen so schreibt. Geschichten voll Wehmut über verlorenen Gelegenheiten, voll Zorn auf sich selbst (weil die wenigen Gelegenheiten verpasst wurden) und auf den Ehemann oder Liebhaber, der seine Bedürfnisse ÜBER jene seiner Frau stellt. Es sind Geschichten, in denen die „liebe Familie“ ihre Mütter oder Großmütter als Selbstbedienungsladen ihrer eigenen Wünsche sehen.
Fazit:
Es ist nie zu spät, etwas zu ändern und STOPP zu sagen. Gerne gebe ich 4 Sterne.
Ein grandioses Buch
von heinoko, 15. Februar 2018
Das Buch klappe ich nach der letzten gelesenen Geschichte zu. Ratlos. Deprimiert. Wütend. Weil das Buch großartig geschrieben ist. Und so entsetzlich.
Die Erzählungen berichten von Frauen und Männern, die „gegen“ sind. Gegen die anderen, gegen den anderen, gegen die Vergangenheit, gegen sich selbst. Und entweder sie haben resigniert oder sie hassen oder sie sind erkaltet bis ins Herz. Apropos Herz: Das kommt nicht vor. Niemand ist herzlich. Herzerwärmende Gesten gibt es nicht. Es sind beschädigte, herzbeschädigte Menschen, von denen berichtet wird, herzlos berichtet wird.
Dass die Autorin gewohnt ist, Kolumnen zu schreiben, d. h. Themen pointiert zu Papier zu bringen, spürt man in dieser vorliegenden Sammlung von Erzählungen. Da ist kein Satz zuviel, ja da ist kein Wort zuviel. Und das Grauen blinzelt auf jeder Seite zwischen den Sätzen hindurch, das Grauen, das sich Menschen selbst oder dem Partner verordnen, sozusagen als Medikament gegen Einsicht, gegen Reflexion, gegen Hoffnung, gegen alles am besten. Die Autorin schaut mit dem Mikroskop hin und zählt die tiefen Seelenfalten, die unverheilten Seelenwunden. Und sie lässt kein gutes Haar an den Menschen, von denen sie berichtet. Es gibt in diesem Buch an keiner Stelle einen Schimmer von echter Erlösung oder zumindest tragfähiger Hoffnung. Das messerscharfe Seziermesser der Autorin setzt nahezu in jeder Geschichte einen endgültigen Schnitt. Es gibt kein Davonkommen. Grandios.