Astas Tagebuch
von Maxie Bantleon , 3. Juni 2020
Gut, dass ich früher immer so penibel in meinen Büchern notiert habe, wann ich sie gekauft und gelesen habe. Ein Blick in meine alte Ausgabe von „Astas Tagebuch“ verrät, dass es im März 1999 war. Ein weiterer Blick verrät mir auch, dass ich dieses Buch öfter gelesen habe, so zerlumpt wie es aussieht. Aber das ist kein Wunder, zählt Barbara Vine doch bekanntermaßen zu meinen Lieblingsautorinnen. Daher wusste ich natürlich auch noch im Großen und Ganzen, worum es in diesem großartigen Buch geht, aber den Casus knacksus und die ganzen Feinheiten und raffinierten Wendungen und Finten hatte ich mehr oder weniger vergessen. Und so war die erneute Lektüre von „Astas Tagebuch“ wieder äußerst spannend und unterhaltsam. Barbara Vine spannt in ihrem Buch einen Bogen über beinahe 90 Jahre und wechselt gekonnt zwischen den Erzählebenen und drei weiblichen Protagonistinnen. Da ist auf der einen Seite die junge Dänin Asta, die Anfang des 20. Jahrhunderts mit zwei kleinen Kindern und erneut hochschwanger in London lebt. Ihr Mann Rasmus, der sie vermutlich nur wegen ihrer Mitgift geheiratet hat, ist arbeitsbedingt in Dänemark oder vielleicht auch woanders – Asta hat ihn seit fünf Monaten nicht gesehen und seit zwei Monaten nicht mal mehr etwas gehört. Die Last der Einsamkeit ist somit das Fürchterlichste, was sie in diesem entsetzlich fremden Land ertragen muss, und nur ihr Tagebuch hilft ihr darüber hinweg.
Astas Geschichte wird umrahmt und unterbrochen von den Kommentaren ihrer Enkelin Ann, die sich nach dem Tod von Astas Lieblingstochter Swanny (die wahrscheinlich wichtigste Figur des Romans) erneut in die Tagebücher vertieft und auf einige Ungereimtheiten stößt. Was ist dran an der Geschichte, dass Swanny eigentlich ein adoptiertes Kind ist? Nach einem anonymen Brief und einer unbedachten Bemerkung von Asta war Swanny Zeit ihres erwachsenen Lebens davon überzeugt, und Asta hat daraufhin nie wieder von diesem Thema gesprochen. Zusammen mit einer Freundin, die jetzt, Jahrzehnte später, für eine TV-Serie die Umstände eines Mordes recherchiert, der zum Zeitpunkt von Swannys Geburt in Astas Nachbarschaft geschehen ist, begibt Ann sich auf Spurensuche.
Ein Tipp: Achten Sie beim Lesen unbedingt auf die zahlreichen Nebenfiguren. Die vielen Namen und verwandtschaftlichen Verstrickungen mögen zunächst etwas verwirrend sein, werden aber zum Schluss hin sehr, sehr wichtig!