Wir leben auf Kosten anderer
4. März 2018
Lange Zeit war es üblich, Untersuchungen zur sozialen Ungleichheit auf die jeweiligen nationalen Gesellschaften zu fokussieren. So berechtigt diese Perspektive im jeweiligen Fall auch sein mag, so plädiert der Autor doch dafür, die Folgen des kapitalistischen Wirtschaftens im globalen Maßstab verstärkt in den Blick zu nehmen. Denn dann werde deutlich, dass die Länder in den hochindustrialisierten Zentren des globalen Nordens ihren Reichtum auf Kosten der Länder des globalen Südens erwirtschaften. Das lasse sich nicht zuletzt auf eine durch die Kolonialgeschichte historisch gewachsene, ungleiche Machtverteilung zurückführen. So weit, so bekannt.
Bemerkenswert ist an den Überlegungen Lessenichs jedoch die Betonung auf die in vielfacher Hinsicht eingespielte und nicht weiter reflektierte Praxis des Externalisierens von Kosten jeglicher Art, die so selbstverständlich geworden sei, dass sie uns gleichsam zur zweiten Natur wurde. Als Beispiel führt er unter anderem das in den westlichen Ländern sich immer stärker verbreitende Mobilitätsverhalten an: ein für sich persönlich in Anspruch genommenes und als selbstverständlich empfundenes Recht, das man jedoch auf keinen Fall verallgemeinert sehen will. Der kategorische Imperativ bzw. die Goldene Regel werde hier – und in vielen weiteren Beispielen, die der Autor anführt –, regelrecht umgedreht: Was du nicht willst, das man dir tut, das füge halt einem anderen zu …
Allerdings stößt nach Ansicht Lessenichs die Praxis des Externalisierens der Kosten zunehmend an seine Grenzen – wie etwa am Beispiel des Klimawandels und der „Flüchtlingskrise“ deutlich wird – und es werde daher immer schwieriger, vor dieser Praxis die Augen zu verschließen und die Ungerechtigkeiten nicht wahrhaben zu wollen.