Liebe wird überschätzt
von Barbara Kumpitsch , 31. Juli 2017
Ihre Geschichten haben mich begeistert: jede Lebensetappe hat seine Liebesgeschichte. Acht Menschen suchen nach Liebe, wir treffen sie in Momenten, wo die Sehnsucht danach am größten ist: wenn der Liebhaber stirbt, wenn ein Ereignis das ganze Leben auf den Kopf stellt, wenn das Begehren am Größten ist. Parrellas Zeilen sind niemals pathetisch, sondern geistreich, witzig und lebensklug. Eindringlich erzählt vermittelt sie uns zur Zeit das Beste, das die italienische Literatur zu bieten hat.
sprachlich fein geschliffen
von yellowdog, 12. Juli 2017
Die Autorin hat schon ein paar Bücher, hat sich aber noch nicht auf dem deutschen Buchmarkt durchgesetzt. Es würde mich aber nicht wundern, wenn sie das mit diesem Erzählungsband schafft. Die kurze Prosa ist ihre Spezialität. Man merkt, dass die Autorin Sprachwissenschaftlerin ist.
Es sind einige Kurzgeschichten erhalten, die auf den ersten Blick nicht voll erfassbar scheinen. Sentimentalität will die Autorin nicht zulassen. Diese Widerspenstigkeit ist nur eine scheinbare Schwäche. Mehrfach lesen ist zu empfehlen.
Die erste Geschichte lässt nach gutem Beginn zum Ende hin ziemlich nach, da die Litanei der Tochter der Protagonisten auch den Leser wie eine kalte Dusche erwischt.
Das ist aber sicher Absicht der Autorin und eine Methode, die sie noch wiederholen wird. Bei der zweiten Story ?Der Tag nach dem Fest? gefällt mir die strukturelle Komposition und die Erzählstimme, obzwar sie recht selbstreferenziell ist.
Die dritte Geschichte handelt überaschenderweis in einem Kloster. Sie überzeugt durch die starke Hauptfigur und dem Storyverlauf. Für mich der Höhepunkt des Bandes, da sie detailreich, zum Teil auch drastisch erzählt wird und konsequent abschließt. Man spürt die Energie, die von Valeria Parrellas Prosa ausgeht.
Das gilt auch für die nächste Geschichte Behave, die etwas von einer tragischen Familiengeschichte hat, dann aber durch die Sätze des Sohnes geerdet wird und so vor Rührseligkeit schützt.
Es folgen noch ein paar Stories, meist kürzere.
Nicht jede Geschichte reißt zu Begeisterungsstürmen hin, aber bei den meisten bleibt einiges hängen und man merkt, wie man auch später noch über die Inhalte nachdenkt.
Facetten der Liebe
von cosmea, 9. Juli 2017
Die Italienerin Valeria Parrella war mir als preisgekrönte Autorin von Romanen und Erzählungen sowie einem Drehbuch bisher unbekannt. Umso mehr habe ich Gefallen an den acht Erzählungen in ?Liebe wird überschätzt? gefunden. Sie beschreibt unterschiedliche Ausprägungen von Liebe und ihre Begleiterscheinungen wie Untreue und Verlust. Am besten haben mir die Titelgeschichte und ?Die Ausgesetzten? gefallen. In ?Liebe wird überschätzt? zerstört die Todesnachricht vom Geliebten der Mutter die Lebenslüge und macht der Geheimniskrämerei und Heuchelei ein Ende. Die Tochter, die immer von dem Verhältnis der Mutter zu einem anderen Mann gewusst hat, rechnet mit den Eltern wegen ihrer Unaufrichtigkeit gnadenlos ab. In ?Die Ausgesetzten? verlässt eine Nonne das Kloster, um die Mutter eines verlassenen Säuglings zu werden, der im Kloster vor ihren Augen unter Mithilfe eines befreundeten Arztes zur Welt kommt. Genauso eindrucksvoll ist die grenzenlose Liebe von Eltern zu ihrem behinderten Sohn oder die einfühlsame Beschreibung der unvorstellbaren Dauer des Urteils ?lebenslänglich? für den Gefangenen.
Mir haben diese Geschichten sehr gut gefallen und meine Überzeugung bestätigt, dass es ganz hervorragende Autoren in der italienischen Gegenwartsliteratur gibt. Den Namen Valeria Parrella muss man sich jedenfalls merken.