Mit einem Schalk im Nacken des Steuerhinterziehers
von nil_liest, 26. Februar 2021
Lichtenstein, der 4. größte Zwergstaat (Fläche betrachtet) in Europe, der sich nicht nur geografisch an die Schweiz schmiegt ist selten im Rampenlicht. Nun kommt Benjamin Quaderer mit seinem Debütroman daher und beleuchtet Lichtenstein wie mit einem Röntgengerät aus dem All.
„Für immer die Alpen“ ist ein fiktiver Roman der sich allerdings als Inspiration eines ehemaligen Bankmitarbeiter bedient: Heinrich Kieber. Er übergab die Steuerdaten an deutsche Behörden, die millionenschwere Steuerhinterziehung belegte.
Der Protagonist in diesem Debüt heißt Johann Kaiser und erzählt uns aus der Retroperspektive wie er zu dem Mann wurde, der die Daten wie ein Akt des Verrats an seiner Heimat, dem Fürstentum, an die Deutschen gab und somit Lichtenstein eine Schmach verpasste, die schwer zu verkraften war. Begonnen wird früh in seiner Kindheit und wir folgen ihm bis in die Bank und dann wieder hinaus in die Verbannung.
Benjamin Quaderer, selbst aufgewachsen in Lichtenstein, schrieb hier nicht nur seiner Heimat einen maßgeschneiderten Roman, sondern machte auch sich selbst einen Namen. In der Tat merkt man dem Roman den jungen energiegeladenen, ideenvollen Autor an. Was leicht beginnt, wird an mancher Stelle zu viel. Klar, er möchte sich ausprobieren und Alleinstellungsmerkmale wie Pflöcke in den Boden Ramen und postulieren: Auch ich bin jetzt auf dem literarischen Parkett. Aus meiner Sicht gar nicht notwendig. Weniger hatte dem Roman auch gutgetan, etwas mehr Stringenz hätte mir gefallen und sicher das Knistern und die Spannung erhöht.
Aber alles in allem ein wirklich sehr gelungenes Buch! Wer sich also mit der Steueraffäre und Lichtenstein auf fiktive Art beschäftigen möchte, greifen sie zu diesem gelungenen Debüt! Erwartet werden kann eine gut ausformulierte Prosa mit Witz und Drama, aber kein spannungsgeladener Roman, was aus meiner Sicht auch nicht der Anspruch des Autors war.
Sehr gelungenes Debüt: Fulminant, spannend, tragisch und komisch zugleich
von Manfred Fürst, 12. September 2020
Daten aus Liechtenstein brachten im Jahr 2008 den bis dahin größten Steuerhinterziehungsskandal der Bundesrepublik ans Licht. Jetzt gibt es einen Roman über den Informanten von damals – der Schriftsteller Benjamin Quaderer erzählt in seinem Debütroman Für immer die Alpen die halsbrecherische Geschichte eines Datendiebes aus dem Fürstentum. Auf historischer Grundlage: Diesen Dieb hat es tatsächlich gegeben. Ein Porträt eines Hochstaplers, der die Gesellschaft spiegelt, die er betrügt.
Ein tollkühner Roman über die Macht des Geldes und die Macht des Erzählens.
Verlagsinformation (Luchterhand) /Klappentext
Staatsfeind Nummer 1 zu sein ist nicht leicht. Das gilt auch dann, wenn dieser Staat einer der kleinsten der Erde ist: das Fürstentum Liechtenstein. Johann Kaiser, Sohn eines Fotografen, Weltenbummler, Meister der Manipulation, lebt unter falschem Namen an einem unbekannten Ort. Mit dem Verkauf gestohlener Kundendaten einer großen Bank hat er so gut verdient, dass es sich unbesorgt leben ließe – wären da nicht die Verleumdungen aus seiner Heimat, die aus ihm einen Verräter machen wollen. Im Versuch, die Deutungshoheit über sein Leben zurückzuerlangen, greift Johann zu Stift und Papier.
Es sind die fiktiven Aufzeichnungen eines aberwitzigen Lebens: von einem Kinderheim in Schaan über eine Eliteschule in Barcelona bis in ein Verlies in Argentinien – die Geschichte von Johannes Suche nach sich selbst.
Diese Geschichte erzählt von Erpressung, Geldwäsche und Größenwahn. Und erzählt davon, wie Johann eines Tages dieses Land in den Alpen für immer verlassen muss, ohne ihm je zu entkommen.
Benjamin Quaderer geboren 1989 in Feldkirch, Österreich, in Liechtenstein aufgewachsen, studierte Literarisches Schreiben in Wien und Hildesheim. Mittlerweile lebt der Schriftsteller in Berlin.
Schon während seines Studiums wusste Benjamin Quaderer, dass er gern etwas über Liechtenstein schreiben würde, und hatte auch verschiedene Versuche unternommen. Doch erst mit der Figur des Datendiebs sei der Moment gekommen, in dem er sicher war, auf der richtigen Spur zu sein.
An seinem Erstlingswerk Für immer die Alpen hat der Nendler (LIE) Autor Benjamin Quaderers fünf Jahre gearbeitet. Darin hat er mit viel Liebe zum Detail und tiefgreifenden Recherchen das Gefühlsleben wie auch die Lebensumstände des Datendiebs Johann Kaiser – angelehnt an die Geschichte Heinrich Kiebers - aufgearbeitet.
Seine Romanfigur basiere daher in gewissen Beziehungen auf der tatsächlich existierenden Person Heinrich Kieber, aber es handelt nicht von Heinrich Kiebers Leben, sondern von Johann Kaisers Leben, den Protagonisten in Für immer die Alpen. Unverkennbar sind einige Gemeinsamkeiten zwischen Johann Kaiser und Kieber, sofern man sich mit dessen aufregenden und spannenden Lebensgeschichte befasst hat (er habe Daten bei der dem Liechtensteiner Fürsten gehörenden drei Buchstaben-Bank gestohlen und im Jahr 2008 dem Bundesnachrichtendienst verkauft; es besteht immer noch ein aufrechter Haftbefehl der Liechtensteiner Justiz). Das führte unter anderem zur Verhaftung des deutschen Postchefs Klaus Zumwinkel.; es sind die Unterschiede, die überwiegen: Heinrich Kieber gibt es wirklich. Johann Kaiser ist eine literarische Figur. Für immer die Alpen ist ein Roman und kein Sachbuch.
Für immer die Alpen ist ein mehrdimensional, über weite Teile des 585-seitigen Romans Johann Kaiser als Ich-Erzähler, fasziniert Quaderer mit der Darlegung des Mikrokosmos des kleinen Liechtenstein: Vom Fürstenhaus über die Sportvereine bis hin zu den Stammtischen der Beizen im Land - jede und jeder scheint eine Geschichte mit ihm (Kieber) zu haben.
Es sind diese Sätze Quaderers, die die literarische Qualität belegen: „Ein Satz je schöner, desto mehr Wahrheit er enthält.“ „Es war eine Spezialform des Magnetismus, die ihre Beziehung bestimmte.“ „…im Angesicht einer Zeichnung, die eine Dose zeigte, fand ich (Johann) zu mir selbst.“
Johann, der Sancho Panza des Liechtenstein. Bei dem Großen, dem Dicken und dem Dünnen, Männer der Finanzelite Liechtensteins, kommen mir „The Good, the Bad and the Ugly” Sergio Leone, 1966) in den Sinn. In diesem Moment wurde eine epochale überwältigende Idee geboren.
Selbst die Fußnoten haben es in sich und sind lesenswert: „Der Zwergenstaat (LIE) am Rande der Alpen, umringt von der Schweiz und Österreich, ist das verschwiegenste Steuerparadies in Europa. Das kleine Land ist eine Festung, ein Hochsicherheitstrakt für die vom Fiskus verfolgten, die ehrbaren und die anderen. Kein anderer Staat in Europa hat so viele Briefkästen-Adressen, die nicht erkennen lassen, wer in Wahrheit die Post abholt.“ (Die Stifter im Dunklen aus DER SPIEGEL v. 15.12.1997, Bölke/Scheiber).
Quaderer beschreibt die Digitalisierung der Stiftungsdokumente mit chirurgischer Präzision, bezeichnen sich doch die Mitarbeiter als Mediziner und ihre Kunden als Patienten.
Der (ein) Kriminalpsychologe attestiert den brillant formulierten Passagen (Johanns Brief an Fürst Hans-Adam II.) soviel Tragik wie Komik. Der Briefschreiber sein ein außergewöhnlicher Mensch. Sympathie oder Ablehnung des Helden von B. Quaderer?
Fürstliche Entlohnung vom BND für die Übergabe der deutschen Kundenmandate, „fürstlich“ - welch Ironie.
Quaderers Für immer die Alpen erfordert eine ambitionierte und aufgeschlossene Leserschaft, die sich gern auf Neues einlässt, was Stil und Format betrifft. Ein Stück deutsche Zeitgeschichte, literarisch brillant umgesetzt. Ein epochaler Finanzskandal, die einen werden sich daran erinnern, die anderen werden erst überrascht, dann fasziniert sein.
Cover
Erstellt nach einer Illustration von Ruth Botzenhardt, die stilisiert das Schloss Liechtenstein in Vaduz darstellt, in dem Fürst Hans-Adam II. residiert.
Literaturtipps
Der Fürst. Der Dieb. Die Daten
Tatsachenbericht von Heinrich Klieber, 2009, pdf-Edition.
Der Datendieb - Wie Heinrich Kieber den größten Steuerskandal aller Zeiten auslöste
Autor: Sigvard Wohlwend
ISBN: 978-3867891455
Herausgeber: Rotbuch Verlag; 1. Auflage (12. Oktober 2011)
Ein Schelm aus Liechtenstein
von Tobias Mayer , 2. Juli 2020
Eines der schönsten Debüts des Jahres 2020: Quaderers witziger Abenteuerroman über den Alpenkleinstaat Liechtenstein und die Tücken der Steuerflucht.
Für immer die Alpen
von Barbara Kumpitsch , 28. März 2020
Johann Kaiser ist ein richtiger Schelm und ich vermute, dass der Johann und der Benjamin Quaderer verwandt sind. Folgendes Zitat aus dem Buch spricht mir aus dem Herzen: "Was für eine komplexe Figur! Hochintelligent! Und so sensibel dazu! Feinfühlig wie ein Seismograph! Beim Studieren der Akten war es mehr als einmal vorgekommen, dass Dr. Jan Mayer ob der brillant formulierten Passagen, die so viel Tragik wie Komik enthielten, so lauthals hatte auflachen müssen, dass ein Sekretär zu im ins Zimmer getreten war und gefragt hatte, ob alles in Ordnung wäre. Natürlich war es das! Alles bestens! Was für ein außergewöhnlicher Mensch!" Dieser Roman ist ein einziges Kunstwerk: Fußnoten, geschwärzte Balken, immer andere Personen erzählen vom "Datendieb" - es gibt so viel zu entdecken, dass man am liebsten wieder von vorne anfangen möchte!
das Buch-im-Buch-Prinzip konnte mich hier nicht überzeugen
von Claudia R., 15. Februar 2020
Klappentext:
Staatsfeind Nummer 1 zu sein ist nicht leicht. Das gilt auch dann, wenn dieser Staat einer der kleinsten der Erde ist: das Fürstentum Liechtenstein. Johann Kaiser, Sohn eines Fotografen, Weltenbummler, Meister der Manipulation, lebt unter falschem Namen an einem unbekannten Ort. Mit dem Verkauf gestohlener Kundendaten einer großen Bank hat er so gut verdient, dass es sich unbesorgt leben ließe – wären da nicht die Verleumdungen aus seiner Heimat, die aus ihm einen Verräter machen wollen. Im Versuch, die Deutungshoheit über sein Leben zurückzuerlangen, greift Johann zu Stift und Papier.
Benjamin Quaderer hat einen tollkühnen Debütroman geschrieben über die Macht des Geldes und die Macht des Erzählens. Das Porträt eines Hochstaplers, der die Gesellschaft spiegelt, die er betrügt.
Cover:
Das Cover ist relativ einfach gehalten. Besonders hervorstechend ist der Titel und der Autor. Landschaftliche Umrisse von bergen und einigen erhöhten Gebäuden sind erkennbar. Der Hintergrund ist farblich in blau-grün gehalten und fügt sich sehr schön in das Cover ein.
Meinung:
Dies ist eine Art Buch im Buch. Die Gliederung finde ich sehr gut gelungen. So ist dieses Buch in vierzehn Bücher und einem letzten Buch gegliedert und auch die jeweiligen Bücher sind in sich wiederum gegliedert. Die länge der einzelnen Bücher bzw. einzelnen Kapitel haben eine angenehm Länge.
Der Schreibstil ist ungewöhnlich. Neben einer flüssigen und lockeren Schreibweise, tauchen aber auch einige ungewöhnliche Stilmittel auf. So gibt es z.B. Randnotizen und Erläuterungen, die sich über mehrere Seiten hinziehen und so den eigentlichen Text der Geschichte, fast in den Schatten stellen. Auch ungewöhnliche Streichungen und Schwärzungen von Wörtern erschweren zum Teil das Lesen. Einerseits möchte ich diesen ungewöhnlichen Erzählstil, aber ab und an, hat mir dies auch so einiges erschwert.
Diese Geschichte um Johann Kaiser wird sehr gut eingeleitet und auch die Erzählung und Handlungsweise wird sehr gut beschrieben. Man kann den Geschehnissen folgen und erhält einige spannende und interessante Einblicke. leider war eis mir an einigen Stellen etwas zu langwierig und nicht ganz mein Stil, aber ich denke, dass dies durchaus Ansichtssache ist.
Mir ist es leider nicht immer gelungen den Faden dabei zu behalten und diesen nicht zu verlieren, denn ich fand es nicht ganz leicht, bei diesem Bücher-im-Buch-Prinzip den kompletten Überblick zu behalten. Die Idee dahinter fand ich sehr spannend und sehr gut, aber für mich leider nicht zu 100% nachvollziehbar umgesetzt. Ich hatte da leider so manche Schwierigkeiten. An sich, die Idee fand und finde ich, aber sehr genial und auch nicht so einfach, dafür wurde es recht gut umgesetzt.
Es war einfach nicht mein Buch. Dies kann anderen aber durchaus anders gehen. Ich habe leider nicht richtig hineingefunden. Dies kommt eigentlich sehr selten vor, aber wie gesagt, ist auch dies Geschmacksache, es wird bestimmt sehr viele Leser geben, denen das Buch sehr gefällt und die diesem vielleicht auch besser folgen können, leider war dies bei mir nicht so.
Irgendwie ist der Funke nicht ganz übergesprungen und es konnte mich leider nicht überzeugen. Die Idee ist toll, aber leider nicht ganz meins.
Fazit:
Die Geschichte von Johann Kaiser in einer Art Buch-im-Buch-Prinzip umgesetzt. Die Idee dahinter fand ich gut, leider konnte es mich nicht ganz überzeugen.