Nichts ist wie es scheint
von gaby2707, 7. August 2018
Am Bahnhof in Bozen steht ein Mann ganz in Schwarz und wartet auf den Nachtzug nach Frankfurt über München. Hier lebten die deutsche Autorin Anna Santer und ihr Ehemann Lex, Inhaber einer kleinen Agentur für Fondsanalysen, die am Pool ihres Hotels in Meran erschossen wurden. Commissario Luciano Pavarotti und seinen Mitarbeiter Ispettore Emmeregger tun sich schwer mit dem Motiv und der Suche nach dem Mörder. Auch Liselotte "Lissie" von Spiegel, die große Liebe von Pavarotti, schaltet sich in die Ermittlungen ein. Wie sich herausstellt, war sie eine Freundin von Anna. Hier geht sie nun ihre eigenen Wege zu ihrem neuen Buch.
Elisabeth Florin nimmt mich nicht nur mit ins Hier und Jetzt, sondern konfrontiert mich auch mit der Vergangenheit von Anna und Lex Santer. Ausserdem erfahre ich einiges aus den Vorkommnissen im Meran kurz nach dem 2. Weltkrieg, als viele Flüchtlinge und vor allem auch Nazis die Stadt als Ausgangspunkt für ihre Flucht nach Südamerika nutzten, die "Rattenlinie".
"Für die meisten Leser genügt es, wenn die Spannung stimmt. Die Sprache ist zweitrangig." An diese These, die die Autorin Walter Timm in den Mund legt, hält sie sich selbst nicht. Ihre Sprache ist ausgefeilt, sehr bildhaft, punktgenau und sie jongliert mit ihren Worten. Und genau deshalb liebe ich ihre Krimis um Commissario Pavarotti.
Die Spannung entwickelt sich von der ersten Seite an, wo ich dem Mann in Schwarz begegne. Es ist auch nicht nur die kriminelle Spannung, die mich hier fasziniert. Auch zwischen Pavarotti und Lissie, genau so wie zwischen Emmenegger und Pavarotti bitzelt die Spannung und ich warte gespannt, ob und wie sie sich entläd. So hoch die Spannung auch bleibt, hier und da blitzt auch ein klein wenig Humor auf und bettet sich wie selbstverständlich in die Geschichte mit ein.
In diesem Fall ist fast nie etwas so wie es scheint. Ich sammle meine Puzzlesteine, setze sie zusammen und schon kommt wieder eine Wendung, die sowohl meine Gedanken als auch mein Puzzle wieder auseinander reißen. Erst ganz zum Schluss werde ich mit dem Mörder, den ich in kurzen Sequenzen in kursiver Schrift kennenlerne, und seinem Motiv konfrontiert und alle Fäden schließen sich zu einem einleuchtenden Strang zusammen.
Ich war schon des öfteren in Meran und so bin ich mit Pavarotti, Emmenegger und Lissie mittendrin in der Altstadt mit der Laubengasse und sehe auch die vielen Gebäude im Jugendstil vor meinen Augen.
Trotz der Missstimmung, die hier und da unter den Protagonisten herrscht, war ich auch diesmal wieder gerne mit meinen guten Bekannten auf der Suche nach Aufklärung unterwegs. Ich wurde sehr gut unterhalten, konnte mit rätseln und mit fiebern und habe dank der guten Recherche sogar wieder etwas gelernt. Ein spannender Fall mit interessanten Menschen und einem Schuss Lokalkolorid – wieder genau so wie ich Krimis mag.
Commissario Pavarotti kam nie nach Rom
von dorli, 6. August 2018
Meran. Am Pool eines Luxushotels wird das Ehepaar Santer erschossen aufgefunden. Lex Santer war Mitinhaber einer Agentur für Fondanalysen mit Sitz in Königsstein im Taunus, seine Frau Anna eine Schriftstellerin, deren neues Buch in Kürze auf den Markt kommen sollte. Die Ermittlungen führen Commissario Pavarotti nach Deutschland, weil Mauscheleien in Lex’ Agentur als Motiv für den Doppelmord angenommen werden. Am Frankfurter Hauptbahnhof trifft Pavarotti auf Lissie von Spiegel – Co-Ermittlerin in früheren Fällen und nach wie vor seine große Liebe. Als Lissie hört, um wen es sich bei den Toten in Pavarottis neuem Fall handelt, ist sie entsetzt, war doch Anna nicht nur eine Kollegin, sondern auch eine gute Freundin von ihr…
„Commissario Pavarotti kam nie nach Rom“ ist bereits der vierte Fall für den italienischen Kriminalkommissar Luciano Pavarotti – für mich war dieser Krimi die erste Begegnung mit dem ruppig wirkenden Commissario. Auch wenn Vorkenntnisse aus den vorherigen Bänden für das Verständnis dieses Krimis nicht vonnöten sind, haben mir die Hintergründe zu dem angespannten Verhältnis zwischen den Ermittlern gefehlt. Ich halte es daher für ratsam, die Fälle in der richtigen Reihenfolge zu lesen, da das Wissen über die vorherigen Ereignisse sowie die Entwicklung der Figuren den Lesegenuss dieser spannend erzählten Geschichte sicherlich noch erhöhen.
Elisabeth Florin hat einen flüssig zu lesenden, fesselnden Schreibstil - schnell ist man mittendrin in einem Strudel aus gegenwärtigen und vergangenen Ereignissen und erlebt nicht nur die Ermittlungen, sondern auch die persönlichen Probleme sowie das Miteinander und Gegeneinander der Akteure hautnah mit. Besonders das Zusammenspiel zwischen Pavarotti und Lissie ist spannend, weil sie in seinen Augen durchaus als Täterin in Frage kommt.
Die Autorin wartet in diesem Krimi mit einem sehr interessanten Thema auf. Es geht um die Rattenlinien – so werden die Fluchtrouten bezeichnet, über die NS-Verbrecher nach dem Zweiten Weltkrieg nach Übersee entkamen und sich so einer strafrechtlichen Verurteilung entzogen. Südtirol wurde häufig als Zwischenaufenthalt und als Sprungbrett in ein neues Leben genutzt, hier wurde es den Nazi-Schergen leicht gemacht, sich neue Ausweise und damit eine neue Identität zu besorgen.
„Commissario Pavarotti kam nie nach Rom“ hat mir sehr gut gefallen – ein abwechslungsreicher Krimi, der kurzweilige, spannende Unterhaltung bietet.
Alle Wege führen nach Rom? von wegen.
von buchstabensuechtig, 20. Juli 2018
Im beschaulichen Kurort Meran wird ein deutsch-österreichisches Ehepaar ermordet. Sie, Anna, war Schriftstellerin und recherchierte in Meran offenbar gerade für ihr neuestes Buch. ihr Mann, Lex Santer, arbeitete als Fondsmanager. Alles deutet auf das Werk eines Profis hin. Der offensichtlich mit privaten Problemen kämpfende Commissario Pavarotti tappt auf der Suche nach dem Motiv im Dunkeln. Auf einer Reise nach Deutschland läuft er Lissie, seiner ehemaligen Partnerin, in die Arme. Auch Lissie hat Anna und Lex gekannt (wobei ihr nicht bewusst ist, dass Pavarotti darüber Bescheid weiß) und kehrt mit Pavarotti nach Meran zurück, offiziell, um die Arbeiten an Annas Buch fortzuführen, wozu sie von ihrem Verleger beauftragt wurde. Was aber weder Pavarotti noch sein Ispettore Emmenegger wissen: Lissie denkt gar nicht daran, die fremde Geschichte zu bearbeiten, sondern arbeitet an ihrem eigenen Buch, und sie und Anna hatten anscheinend einen heftigen Streit. In Meran überschlagen sich dann die Ereignisse, Lissie gerät selbst ins Visier des Mörders, und Pavarotti und Emmenegger haben alle Hände voll zu tun, um sie zu retten.
Besonders attraktiv fand ich die persönlichen Spannungen zwischen den Protagonisten - man konnte teilweise richtig die Funken sprühen sehen in den Seiten. Durch gekonnt gezielte Rückblicke, einerseits in das Meran der Nachkriegszeit, andererseits in die Jugend von Anna, gewinnt der Leser nach und nach ein Einblicke in die komplexe Story. Gewinnt man anfangs den Eindruck, die Verbrechen wurden aus profaner Profitgier begangen, wird einem nach und nach deutlich, dass es hier um viel mehr geht, um Schicksale, um Geschichten. Fast jeder der Befragten ist irgenwie involviert, jedes Haus, jede Pension hat seine Geschichte in der Nachkriegszeit. Als Viertelsüdtirolerin, die in Innsbruck aufgewachsen ist, kenne ich auch aus meiner unmittelbaren Umgebung viele solcher Geschichten. Elisabeth Florin lässt ihre Protagonisten durch kleine Details und liebevolle Schilderungen lebendig, nahbar und menschlich erscheinen, z. B. spürt man die Verzweiflung Pavarottis am Anfang bzw. kann das Gefühl genau nachvollziehen, das Pavarotti in dieser Milchbar hat, als sie schreibt: "Nur 10 cm trennten ihn von Rom, aber der Streifen aus hellblauem Resopal war so breit wie der Po, und er wusste, er würde Rom nie erreichen". Die grandiose, eigene Landschaft rund um Meran, das immer noch eine deutschsprachige Enklave im inzwischen stark italienisch durchsetzten Südtirol darstellt mit den einsamen Tälern rundum bildet den perfekten Rahmen für diesen herausragenden zeitgeschichtlichen Krimi mit Lokalkolorit. Einige Fragen sind mir geblieben, ich hoffe, diese mithilfe der früheren Pavarotti-Fälle, die ich schon bald lesen werde, lösen zu können. Und dann freue ich mich auf weitere Fälle mit Pavarotti und Co.