Betrunkene Bäume
von , 18. April 2017
Keine Sorge, der Titel dieses wunderbaren Buches hat nichts mit pflanzlichem Alkoholmissbrauch zu tun. Vielmehr existieren diese eigenartigen Pflanzen tatsächlich, und selbstverständlich kennt man nach der Lektüre dieses Buches den Grund für den seltsamen Namen.
Allerdings gibt es viele andere Gründe, sich auf dieses Werk einzulassen. Der gewichtigste ist schlicht und ergreifend, dass es einfach gut ist und zwar richtig gut.
Zwei Menschen, ein junges Mädchen, ein alter Mann, beide irgendwie entwurzelt, einsam, geraten durch Zufall aneinander. Sie finden Gemeinsames und stützen sich gegenseitig.
Eine wunderbar berührende Geschichte entsteht, literarisch brilliant umgesetzt, ungemein gefühlvoll erzählt. Große Empfehlung!
Gelungenes Romandeüt
von TanyBee, 15. März 2017
Betrunkene Bäume handelt von zwei Menschen, deren Leben aus den Fugen geraten ist: Erich, jenseits des Pensionsalters, kommt alleine in seiner Wohnung eigentlich nicht mehr zurecht, will sich das aber nicht eingestehen. Und Katharina, die von zu Hause weg gelaufen ist, weil der Vater die Familie verlassen hat um in Russland zu arbeiten und die Mutter es nicht verhindert hat. Auch Erich hat eine Vergangenheit in Russland. Denn in jüngeren Jahren hat er sich einen Traum erfüllt und dort geforscht über die ?betrunkenen Bäume?. In Rückblenden erfahren wir mehr darüber, denn diese Forschungsreise hat sein ganzes Leben auf den Kopf gestellt.
Bei der Lektüre habe ich sofort Erich ins Herz geschlossen. Er wehrt sich gegen die zunehmende Fremdbestimmung in seinem Leben und versucht sein kleines (oder eher großes) Geheimnis im Schlafzimmer zu verbergen. Was das für ein Geheimnis ist? Das möchte ich hier nicht verraten, aber es hat mich wirklich sehr gerührt.
Erichs und Katharinas Wege kreuzen sich und an manchen Stellen kam mir das Buch ein wenig zu klischeehaft vor. Momentan gibt es einfach sehr viele Bücher, die von älteren Leuten handeln, die etwas kauzig, aber liebenswürdig sind und die ein letztes Abenteuer erleben. Gefallen haben mir besonders die Rückblenden, die in Russland spielen. Diese hätten ruhig ausführlicher sein können, dann wäre das Verhalten von manchen Personen auch besser nachvollziehbar gewesen. Einige der Charaktere blieben unnahbar. Vor allem Dascha und ihre Entscheidung hätte ich gerne besser verstanden.
Aber ich möchte nicht nur negative Punkte aufzählen, denn die Lektüre ist durchaus angenehm. Es ist ein ?Feel-good-Buch?, denn auch wenn die Protagonisten einiges durchmachen, so lässt das Buch den Leser doch mit einem guten Gefühl zurück. Und Erich muss man einfach gern haben! Ein gelungenes Romandebüt.
Betrunkene Bäume
von CanYouSeeMe, 11. März 2017
?Betrunkene Bäume? ist der erste Roman der Autorin Ada Dorian. Der Schreibstil war für mich sehr angenehm zu lesen, die verwendete Sprache war stimmig und passte zum Setting der Geschichte und hatte eine gewisse Tiefe in sich. Erzählt wurde die Handlung aus unterschiedlichen Perspektiven: aus Erichs, aus Katharinas und einige Male aus der Perspektive von Wolodja. Durch diesen Perspektivwechsel konnte man sich als Leser sowohl in Erich, als auch in Katharina hineinversetzen und sich in ihre Lage hineinversetzen. Man hat auch etwas mehr über den schweigsamen Wolodja erfahren, jedoch nicht so viel, dass ich mir ein detailliertes Bild von ihm machen konnte. Von den beiden Protagonisten Erich und Katharina konnte ich mir hingegen ein gutes und solides Bild machen.
Die Handlung an sich hat mir gut gefallen. Die zentralen Themen, die immer wieder thematisiert werden sind Freundschaft, Heimat und Entwurzelung aber auch Schuld. Die Beziehungsgestaltung zwischen Erich und Katharina wurde sehr feinfühlig beschrieben, generell sind die Beschreibungen oftmals eher zart und nachdrücklich zugleich.
Zum Ende des Buches sind bei mir noch relativ viele Fragen unbeantwortet geblieben, die durch das relativ offene Ende nicht mehr aufgegriffen wurden. Das ist schade, ich hätte mir gewünscht, dass die losen Enden noch aufgegriffen werden würden.
Insgesamt hat mich ?Betrunkene Bäume? gut unterhalten können und mir eine angenehme Lesezeit verschaffen können. Vollends überzeugen konnte mich das Buch jedoch nicht.
Vom Alter und der Einsamkeit
von Xirxe, 26. Februar 2017
Der über 80jährige Erich ist verlassen von Frau und Kindern und lebt nur noch für 'seine' Bäume, die er als Wissenschaftler sein Leben lang untersuchte. Katharina, die gerade einmal 17 Jahre alt ist, fühlt sich verlassen von Vater und Mutter und ist nun Erichs Nachbarin. Sie lernen sich kennen und ganz langsam entsteht eine Vertrautheit zwischen den beiden so unterschiedlichen Menschen, von denen jeder die Hilfe des Anderen braucht. Sie sind sich ähnlicher als sie denken, denn beide wollen sie unabhängig sein, was sowohl Katharina wie auch Erich nicht möglich ist - wenn auch bei jedem auf andere Weise.
Es ist kein großer Roman, den man hier auf etwas mehr als 260 Seiten liest. Erich versucht jeden Tag auf's Neue selbständig zu bleiben. Und Katharina bemüht sich, am Leben zu bleiben. Durch mehrere Erzählstränge lernt man die beiden Hauptfiguren genauer kennen, wobei aufgrund des höheren Alters meist die Vergangenheit von Erich dominiert. Was dieses Buch zu etwas Besonderem macht, ist die wunderbare Sprache der Autorin, in der ich mich sofort wohl fühlte. Es ist schwer zu beschreiben, denn weder findet man hier extrem bildhafte Darstellungen noch eine übermäßig poetische Wortwahl. Der Text ist schlicht mitfühlend und passt einfach perfekt zu den Figuren und den Geschehnissen, die er schildert. Man liest und liest und möchte nichts als weiterlesen, auch wenn man Katharina manchmal wegen ihrer Blauäugigkeit schütteln möchte oder Erich wegen seiner Sturköpfigkeit. Doch man lebt und fühlt mit ihnen und so ist es fast schon ein Gefühl der Trauer, wenn man die Beiden verlassen muss.
Und warum trotzdem nicht die volle Punktzahl? Weil manche der Beziehungen nicht wirklich überzeugend wirkten. Wolodja soll Erichs bester Freund gewesen sein? Und von ihm hat er am meisten gelernt? Obwohl sie praktisch nicht miteinander geredet haben? Seine geliebte Frau Dascha lässt er einfach ziehen? Obwohl er Sibirien auch so liebt? Noch einige solcher Sachverhalte sind mir aufgefallen, die ich mir nicht erklären kann, was meine Freude am Text damit etwas minderte. Dennoch, ein schönes Buch! Und ich bin gespannt, was die Autorin als Nächstes schreibt.
Übrigens, die 'Betrunkenen Bäume' gibt es tatsächlich, wenn auch nicht in Sibirien. Zumindest habe ich darüber nichts gefunden, doch einen Wald mit solchen Bäumen gibt es am Kurischen Haff. Auch wenn der Grund dafür offenbar ein anderer ist als im Buch.
SibirischeWurzeln
von yellowdog, 25. Februar 2017
Betrunkene Bäume ist nicht nur ein Roman mit originellem Titel sondern besitzt auch eine geschickte Erzählhaltung mit Handlung in Vergangenheit und Gegenwart.
Das erste Kapitel in Sibirien mit dem schweigsamen Wolodja, der einen jungen deutschen Forscher durch die Taiga führen wird, gehört für mich zu den besten Romananfängen seit langen.
Danach gibt es erst einmal einen Bruch in der Handlung und man erfährt von dem achtzigjährigen Erich, der alleine mit gesundheitlichen Beschwerden ein beschwerliches, einsames Leben führt. Die Beziehung zu seiner erwachsenen Tochter Irina ist schwierig, aber von der Autorin gut beschrieben. Dann gibt es noch die junge Ausreißerin Katharina, eine weitere gute Figur.
Sie wird Nachbarin von Erich und hat mit ihm sogar etwas gemeinsam. Sie verstehen sich gut!
Die Autorin schafft es, die Figuren so anzulegen, dass man sich für sie und ihr Leben interessiert.
Manchmal stockt die Handlung, einiges hätte weniger umständlich sein dürfen.
Es dauert eine Weile, bis man noch mal in die Taiga zurückkehrt und sich die Handlung wie ein Kreis umschließt.
Ada Dorian gehört zur neuen Generation deutscher Schriftsteller, die frisch wirken und sich nicht scheuen, Vergangenheit und Gegenwart einzubeziehen. Das ergibt ein gelungenes Debüt.
Spurensuche
von vielleser18, 22. Februar 2017
Erich ist weit über 80. Noch lebt er alleine in seiner Wohnung in einem heruntergekommenen Mehrfamilienhaus. Doch nicht nur seine Sehkraft schwindet, auch seine Kraft und seine Beweglichkeit. Seine Tochter Irina vermittelt ihm eine Pflegekraft, die er aber kategorisch ablehnt. Einzig seine Liebe zu seinen Bäumen und seine Obsession noch täglich Auswertungen von Daten eines russischen Wissenschaftlers durchführen zu wollen, halten ihn am Leben.
Katharina, 17, ist verzweifelt, nachdem die Ehe ihrer Eltern auseinandergebrochen ist und sich der Vater nach Russland aufgemacht hat. Sie, die kurz vorm Abitur steht, schmeißt die Schule und flieht von zu Hause. Über Umwege findet sie Schutz in der Nachbarwohnung von Erich. Die beiden lernen sich kennen und so entsteht durch gegenseitige Hilfe eine fragile, ungewöhnliche Freundschaft.
Ada Dorians Schreibstil ist ruhig. Abweschselnd erzählt sie von Erich und Katharina. Immer wieder gibt es Rückblenden. Anfangs sind es verschiedene Erzählstränge, die sich immer weiter annährern, bis Erich und Katharina das erste Mal aufeinander treffen. Immer weiter werden Schicht um Schicht der Protagonisten gelöst, so dass der Leser immer tiefer in sie schauen kann, sie verstehen lernt.
Der Autorin ist es m.E. dabei wunderbar gelungen die beiden sehr gekonnt auszuarbeiten.
Da ist der tattrige Erich, der am Ende seines Lebens kaum noch Hoffnung hat. Immer weiter zerbröselt seine Selbständigkeit, dennoch hält er sich klammerhaft an seinen Daten, seiner (kleinen) Aufgabe fest um sich nicht ganz zu verlieren. Dabei wächst ihm nicht nur das Leben buchstäblich über den Kopf.
Für Katharina hingegen hat sich das Leben um sie herum aufgelöst. Sie findet keinen Halt, keinen Anker und fühlt sich an den Rand geschoben.
Für beide geht es um Lebensängste, um Spurensuche, aber auch um Hoffnungen und den eigenen Willen und vor allem die eigenen Wurzeln.
Ada Dorian´s Roman hat mich berührt, hat mich nachdenklich gestimmt und hat mich beim Lesen gefesselt. Immer mehr wollte ich über die zwei so unterschiedlichen und doch so ähnlichen Protagonisten erfahren, wollte wissen, ob sie wieder zu ihren Wurzeln zurück finden oder sich im wirren Geäst verlieren.
Passend dazu der Titel und auch die im Text geschildernde "Betrunkenen Bäume". Bäume, die durch die Veränderung ihres Bodens den Halt verlieren, schief wachsen oder absterben. Ein passendes Symbol auch für die zwei Protagonisten.
Fazit:
Ein Roman um zwei verlorene Menschen - aus zwei verschiedenen Generationen mit Hoffnungen, Ängsten, Verzweiflung, auf der Suche nach ihren Wurzeln, hat mich gefesselt und sehr gut gefallen.