Fesselnd bis zur letzten Seite
28. März 2024
Man schreibt den März im Jahre 1970. Die sechs Aspirantinnen für den Kriminaldienst durchlaufen die verschiedenen Abteilungen. Nach wie vor werden sie als „Experiment“ geführt und manche der Vorgesetzten sehen mit skeptischen Blicken auf die jungen Damen, die aus unterschiedlichen Gründen bei der Polizei angeheuert haben. Die Bewährungsprobe ist dann der Mord an Millionär Theo Ellerbeck, der vor seiner Villa mit acht Schüssen getötet wird. Lucia Specht, derzeit gerade der Sitte zugeteilt, wird in das Mordermittlerteam eingebunden, da sie am Tag zuvor Ellerbecks minderjährige Tochter Michaela bei einer Razzia in einer Disco mit einem gefälschten Ausweis aufgegriffen hat. Das Mädchen will nur mit Lucia sprechen. Michaela gibt an, den Mord vom Küchenfenster gesehen haben zu wollen.
Die Ermittlungen laufen im Düsseldorfer Polizeipräsidium auf Hochtouren, war doch Ellerbeck ein Mann mit großen Einfluss. Feinde, so sagen die Menschen in seinem Umfeld, hatte er keine. Warum also, wurde er dann regelrecht hingerichtet? Wer profitiert von seinem Tod? Je tiefer Lucia Specht und ihre KollegInnen in den Fall eindringen, desto mehr Widersprüche kommen zum Vorschein.
Meine Meinung:
Dieser zweite Krimi rund um die sechs ersten weiblichen Kriminalbeamten für die Bereiche Gewaltverbrechen in Deutschland ist an ein wahres Verbrechen angelehnt. Bisher werden Polizistinnen eher für Recherchearbeit oder bei der Sitte oder zur Unterstützung der Fürsorge eingesetzt.
Ich kenne den ersten Fall „Der Tod des Blumenmädchens“ leider nicht und habe den schon bestellt. Es gibt zwar einige Rückblenden, was die Herkunft und die Motivation der jungen Frauen in den Kriminaldienst einzutreten betrifft. Im vorliegenden Fall ist Lucia Specht quasi die Hauptperson. Sie will den mysteriösen Tod ihre Mutter aufklären und nützt dafür den Polizeiapparat.
Mir hat dieser zweite Krimi aus dieser Reihe, die hoffentlich noch einige Fortsetzungen haben wird, sehr gut gefallen, vor allem auch deswegen, weil er uns die Zeit von 1970 näherbringt. Ehefrauen dürfen nur mit ausdrücklicher Erlaubnis des Ehemanns arbeiten, was bei Petra, die mit einem Staatsanwalt verheiratet ist und von einem Team, das gemeinsam Verbrecher jagt träumt, mit häuslicher Gewalt endet.
Andererseits sind die Frauen ständig sexuellen Belästigungen durch Kollegen und Vorgesetzte ausgesetzt. Das Abweisen von Avancen mündet häufig in Versetzung in das sprichwörtliche „Besenkammerl“ und schlechter Beurteilung. Wie sich die Frauen gegen diese Übergriffe wehren, ist unterschiedlich. Lilly nimmt seit einiger Zeit an einem Boxtraining teil, während Lucia es bislang geschafft hat, ihre Widersacher verbal niederzuringen.
Daneben sind noch zahlreiche Kollegen wie Müller, die schon während der NS-Zeit bei der Polizei waren und ihre Ansichten über Frauen und Homosexuelle nicht geändert haben. Einige der Männer fühlen sich quasi kastriert, wenn nun auch weibliche Kriminalbeamte Waffen tragen dürfen. Also eine Gemengelage, die es in sich hat.
Die Charaktere sind sorgfältig und ziemlich authentisch dargestellt. Die Frauen zeichnen sich durch den Zusammenhalt in ihrer Gruppe aus und stellen Fragen, die Männer so nicht in den Sinn gekommen wären. Das liest sich dann so:
»Ich habe da einen Gedanken«, sagte sie laut, »hört mal bitte zu.«
Menden blieb stehen. Wir sahen Mieze aufmerksam an.
»In meiner Zeit bei der Vermisstenabteilung habe ich eines gelernt: Wenn Menschen freiwillig verschwinden, ist es so, dass sie sich an Orten aufhalten, an denen sie sich sicher fühlen. Orte, die anonym sind oder die sie aus ihrer Vergangenheit kennen, die positiv belegt sind für sie oder einen Sehnsuchtsort darstellen. Ich dachte mir gerade: Was ist, wenn es bei Michaela anders ist? Wenn für sie der beste Ort, um sich zu verstecken, der wäre, an dem sie niemand vermutet? Ein Ort, den sie selbst furchtbar findet. Denn dort würden wir nicht suchen.«
Mieze sah uns erwartungsvoll an. Menden drehte sich langsam um die eigene Achse. Er straffte die Schultern und sah zu Lenzian.
»Warum kommst du nicht auf solche Ideen?«, sagte er zu ihm.
Der Kriminal Theo Ellerbeck ist komplex und führt sowohl Ermittler als auch uns Leser in so manche Sackgasse. Die Auflösung ist für mich nicht ganz überraschend, aber schlüssig.
Der Cliffhanger auf den letzten Seiten ist echt fies!
Fazit:
Gerne gebe ich diesem Krimi, der uns in das Jahr 1970 und in die Anfänge der weiblichen Kriminalpolizei zurückführt, 5 Sterne.
Rezension zu:
Western einmal anders
28. März 2024
Bei uns flimmern in (un)regelmäßigen Abständen diverse Western (oder was man seinerzeit in der Cinecittà dafür gehalten hat) über die Mattscheibe. Ob „40 Wagen westwärts“, „High Noon“, „Die glorreichen Sieben“ und natürlich die Italo-Western aus meiner Jugend wie „Django“ oder die Dollar-Trilogie und den Klassiker aller Spaghetti-Western „Spiel mir das Lied vom Tod“, (die wenigen Dialoge können mein Mann und ich problemlos mitsprechen).
Literatur, die das Western-Genre bedient, ist mir schon länger nicht untergekommen, weshalb ich bei diesem Buch neugierig zugegriffen habe.
Den historischen Hintergrund zu diesem Western bietet der Amerikanische Bürgerkrieg (1861-1865) oder auch Sezessionskrieg genannt, in dem sich die Nordstaaten (Unionsstaaten) und die Konföderierten (Südstaaten) in einem erbittert geführten Wirtschaftskrieg gegenüber stehen.
Paul Cable war für die Konföderierten in den amerikanischen Bürgerkrieg gezogen. In Tennessee hatte er sich dem 8. Texas-Kavallerie-Regiment angeschlossen, das unter dem Befehl von General Nathan Bedford Forrest stand. Als Cable im November 1864 mit seinen Kameraden den Duck River überquerte, um die Unionskavallerie zurückzudrängen, wurde er schwer verwundet. Von da an war der Krieg für ihn vorbei, obwohl im Osten des Landes noch gekämpft wurde. Er kehrt mit seiner Familie nach Arizona zurück, um sein altes Leben wieder aufzunehmen. Aber in Arizona haben sich die Dinge geändert. Vor dem Gesetz gilt Cable als Rebell, und zwei Brüder, beide Anhänger der Union (Auszug aus dem Klappentext).
Gleich auf Seite 9, musste ich herzlich lachen. Der Konföderiertenveteran Paul Cable, er ist mit Frau und drei Kindern auf dem Weg zu seinem Zuhause am Saber River, trifft auf Janroe, der sich in Denamans Laden, dem Geschäft von Pauls Nachbarn breit gemacht hat, und dessen Beschreibung wie folgt lautet:
„Er war groß, kräftig gebaut, aber schlank, mit schwarzem Haar und einem Schnurrbart. Vielleicht Ende dreißig. Sein linker Arm fehlte zwischen Schulter und Ellbogen.
Mein Kopfkino ist sofort angesprungen. Wie ist der arme Mann seines Oberarms verlustig gegangen? Hängt der Unterarm samt Hand, wie bei einen Cyborg an Drähten dran? Oder kann hier bei der Übersetzung aus dem amerikanischen Englisch ein Hoppala passiert sein?
Und Janroe ist nicht der einzige, der sich eine Ranch unter den Nagel gerissen hat. In Paul Cables Haus hockt eine Gruppe Unions-Soldaten, deren Anführer Vern und Duane Digston behaupten, das Gesetz (des Stärkeren?) auf ihrer Seite zu haben, denn Rebelleneigentum sei von der Union beschlagnahmt. Sich vom eigenen Grund und Boden vertreiben zu lassen, ist für das Ehepaar Cable jedoch keine Option.
Meine Meinung:
Der Western entwickelt auf den 256 Seiten eine fesselnde Eigendynamik, denn es gibt neben dem Kampf um die Ranch weitere Interessen. Da ist vor allem der undurchsichtige Janroe, der einen Händler gibt, Luz Acaso, die eingeschüchtert bei ihm lebt sowie Lorraine Digston, die intrigante Tochter von Duane Digston.
Die Lage spitzt sich zu. Jederzeit muss mit einem Hinterhalt oder einem offenen Schusswechsel gerechnet werden. Auf dem Höhepunkt der Geschichte ereilt die Kontrahenten die Nachricht, der Bürgerkrieg ist beendet. Das dreht die Geschichte in eine unerwartete Richtung. Denn nun sehen sich zwei ehemalige Gegner gemeinsam einem Dritten gegenüber.
Die Charaktere sind - für einen Western aus dem Jahr 1959 - recht interessant und differenziert gestaltet. Da haben wir zunächst Paul Cable, der für seine Überzeugung in der Südstaatenarmee kämpft und mehrmals verwundet wird, bevor er entlassen wird. Er ist ein treusorgender, liebender Ehemann und Vater. Bemerkenswert, dass er sich Menschlichkeit und Gerechtigkeitssinn in diesem Krieg bewahrt hat. Seine Ehefrau Martha ist stark, emanzipiert, selbstsicher und auf Augenhöhe mit Paul. Sie würde für Mann und Kinder alles, wirklich alles tun.
Janroe ist, wie wir im Laufe der Geschichte lesen werden, ein Fanatiker und Intrigant.
Eine für mich komplexe Figur ist Vern Digston. Ein geborener Anführer, der seine Ziele erbarmungslos verfolgt, aber dem ebenbürtigen Paul Cable seinen Respekt zollt, obwohl sie während des Sezessionskrieges auf unterschiedlichen Seiten standen.
Ziemlich unüblich für einen Western dieser Schreibepoche, dürfen die drei Frauen Martha, Lorraine und Luz andere Rollen spielen, als die der braven Hausfrau oder der Prostituierten. Hat mir gut gefallen.
Fazit:
Eine Geschichte aus der Vergangenheit der USA, die sie so oder so ähnlich zugetragen haben könnte. Gerne gebe ich hier 4 Sterne.
Rezension zu:
Eine gelungene Fortsetzung
26. März 2024
Andreas Pittler, Historiker und Autor zahlreicher Bücher, unter anderem der grandiosen Reihe um David Bronstein, hat sich mit diesem, seinem zweiten Krimi rund um die beiden Ferlacher Dorfpolizisten Sigi Obiltschnig und Ferdinand Popatnig eine besonders hübsche Kulisse ausgesucht: das jährliche Mittelalterfest auf der Burg Hochosterwitz.
Zunächst gehen die Uhren im knapp 18 km von der Landeshauptstadt Klagenfurt entfernten Ferlach noch ein wenig langsamer als sonst irgendwo. Die Verbrechen spielen sich zwischen Falschparken und Fahrraddiebstahl ab. An jenem denkwürdigen Tag, an dem Oberst Dullnig vom LKA Klagenfurt anruft, hat Popatnig einen Autofahrer ertappt, der gegen eine Einbahn fährt und Obiltschnig frei.
Und schon ist es mit der vertrauten Gemütlichkeit vorbei, denn das LKA ist wieder einmal chronisch unterbesetzt und auf der Burg Hochosterwitz gibt es eine Leiche. Da müssen die Ferlacher aushelfen, denn im letzten Fall („Kärntner Finale“) haben sie die hauptberuflichen Kriminalbeamten quasi an die Wand gespielt und den komplexen Fall de facto im Alleingang gelöst.
Obiltschnig und Popatnig wissen noch nicht, ob sie sich geehrt fühlen sollen, oder nur für das LKA die heißen Kartoffeln aus dem Feuer holen müssen.
Der vorerst unbekannte Tote wurde enthauptet und wird nicht die einzige Leiche bleiben. Wie in einem Abzählreim, sterben insgesamt nacheinander vier Personen, jeweils in der nächsten Nacht. Auffällig ist, dass sie aus einer Gruppe von sieben Ausstellern des Mittelalterfestes stammen, sich gut kennen. Vier von ihnen haben nun einen, nach einer mittelalterlichen Tradition, Tod gefunden: Also die Enthauptung, dann hat ein Bogenschütze ins Schwarze getroffen, eine Frau wurde vergiftet und ein anderer in seinem eigenen Met ertränkt. Nun bleiben nur noch drei übrig. Ist der Täter einer von ihnen? Nur wer ist es?
Die Durchforstung der Lebensläufe sowohl der bisherigen Opfer als auch der drei noch lebenden Schausteller gibt zunächst wenig Aufschluss. Erst ein Foto, das vor rund 15 Jahren aufgenommen worden ist, bringt Gruppeninspektor Obiltsching auf eine heiße Spur und auf einen schwarzen Hengst.
Was dann folgt, ist eine Verfolgungsjagd, die Monty Pythons Flying Circus würdig ist. Aber, das müsst ihr bitte selbst lesen.
Meine Meinung:
Als halbe Kärntnerin und schwerer Fan von Andreas Pittlers Krimis hat mir dieser zweite Kärnten-Krimi wieder sehr gut gefallen. Wie schon im ersten Fall für Obiltschnig und Popatnig fehlt mir ein wenig der Kärntner Dialekt. Gut, einmal wird die Bezeichnung „Tocker“ (= Idiot, Dummkopf) verwendet. So weiterhin mehr oder weniger auf hochdeutsch parliert. Die humorvollen Dialoge, in denen sich Obiltschnig und Popatnig die Bälle (oder wie man in Wien sagt: die Wuchteln) zuspielen, haben mich mehrmals schmunzeln lassen.
Neben den bekannten Charakteren wie Oberst Dullnig, Obiltschnig und Popatnig wird die Gerichtsmedizinerin Stefaner als neue Figur eingeführt. Die passt bestens in die Ferlacher Truppe, auch wenn die Gerichtsmedizin in der Landeshauptstadt angesiedelt ist. Ihr trockener, schwarzer Humor hat mir sehr gut gefallen.
Es dauert ein wenig, bis die Ermittlungen Erfolg haben. Wir Leser können dem Täter durch geschickt platzierte Einschübe über die Schulter schauen. Der aufmerksame Leser wird bald eine Idee haben, was Täter und Motiv betrifft.
Gut gefallen hat mir, dass das Privatleben der beiden eine eher untergeordnete Rolle spielt und nicht überhand nimmt.
Dass mich Obiltschings Ritt auf dem schwarzen Hengst an Monty Python Flying Circus erinnert, kommt nicht von ungefähr, hat doch Andreas Pittler ein Buch über die Truppe verfasst: „Monty Python 100 Seiten“ erschienen bei Philipp Reclam, das ich vor kurzem gelesen habe.
Nach der erfolgreichen Auflösung des Kriminalfalles hat Obert Dullnig für unsere wackeren Ferlacher Dorfpolizisten eine Überraschung bereit: Beide erhalten jeweils einen halbe Planstelle beim LKA in Klagenfurt, um die Stadtcowboys bei der Verbrecherjagd zu unterstützen. Das heißt, weitere Fälle mit Obiltschnig und Popatnig sind vorprogrammiert. Fans von Kärnten und Andreas Pittler wie mich, freut das sehr.
“… Always Look at the Bright Side of Life …”
Fazit:
Gerne gebe ich dieser gelungenen Fortsetzung 5 Sterne und eine Leseempfehlung.
Rezension zu:
UFO-Alarm in Fredenbüll
26. März 2024
Das Dutzend ist voll, nämlich die Anzahl der Krimis, die in Fredenbüll spielen, und für dieses denkwürdige Jubiläum hat sich Autor Krischan Koch wieder etwas ganz Besonderes ausgedacht: Den Krieg der Seesterne.
Ungewöhnliches geht in Fredenbüll vor sich. Das wär ja an sich jetzt nichts Neues, aber dass sich extraterrestrische Lebensformen ausgerechnet Fredenbüll als Landeplatz ausgesucht haben, scheint doch ein wenig zu verwundern. Aber, vielleicht hat deren Navi beim „abdät“ einen interstellaren Stromschlag erlitten.
Zunächst glaubt Piet Paulsen seinen Augen samt Gleitsichtbrille nicht zu trauen, als eines Nachts ein UFO an seinem Haus vorbei schwebt.
Auf dem Dinkelacker des nunmehrigen Biohof Brodersen wächst das Getreide gegen den Himmel. Plötzlich erscheinen nicht nur rätselhafte Kornkreise, sondern in deren Mittelpunkt eine Leiche. Die Kumpel der Leiche entpuppen sich letzten Endes als schnöde Geschäftemacher in der leichtgläubigen Welt der Esoteriker..
Thies und Nicole Stappenbeck haben wieder einmal einen Mord aufzuklären. Das erweist sich als nicht ganz einfach, denn es treiben sich zahlreiche verdächtige Gestalten in Fredenbüll herum. Von E.T. bis Luke Skywalker - alles was in der SF-Szene Rang und Namen hat, gibt sich vor Piet Paulsens Haus ein Stelldichein, denn der wird als „Alpha-Kontakt“ geoutet. Piet ist über den Rummel alles andere als erfreut, plagen ihn doch ganz andre Sorgen. Alexa und Uwe Seeler matchen sich um die Vorherrschaft in seinem Haushalt. Und dann ist da noch die Sache mit Magath und Hrubesch.
Und dann kommt noch Austerndieb und Bademeister Benny mit den spitzen Ohren ums Leben.
Wann wird endlich wieder Ruhe in Fredenbüll einkehren?
Meine Meinung:
Autor Krischan Koch nimmt die allerorten aus dem Boden schießenden Wunderheiler und Esoteriker sowie die Welt der SF-Gläubigen aufs Korn. Doch hinter den durchaus lustigen und skurrilen Szenen finden sich auch ernste Themen wie sektenähnliche, durchaus kriminelle Organisationen ziehen leichtgläubige Menschen in den Bann und anschließend ihnen das Geld aus der Tasche, nicht immer ist BIO drin, wenn BIO draufsteht und was passiert, wenn Maschinen infolge von KI das Kommando übernehmen. Da ist Piet Paulsen mit seiner Alexa und ihrer eigenwilligen Grammatik beinahe noch gut bedient. Drastisch, aber dann doch mit gutem Ausgang, zeigt uns Krischan Koch, was passiert, wenn man den ganzen Tag auf dem Smartphone herumwischt, in die virtuelle (Schein)welt abgleitet und dabei die reale Umwelt vergisst.
Der Krimi beschert uns ein Wiedersehen mit einigen Charakteren aus mehreren Vorgängern. So hat Ex-Talkmaster und Mörder März, nach Verbüßung seiner Haft wieder Gelegenheit, mit kriminellen Machenschaften aufzufallen. Auch der nunmehrige Biohof Brodersen, einst Schauplatz zweier Leichenfunde, ist wieder mit dabei. Ob sich Bounty über das Wiedersehen einer ehemaligen Kommunardin wirklich gefreut hat, bleibt dahin gestellt, denn das unerwartete Auftauchen von Ufo bringt eine Menge Kalamitäten.
Fazit:
Auch der 12. Fredenbüller Krimi unterhält seine Fans mit zahlreichen schrägen Typen und viel Wortwitz. Gerne gebe ich hier 5 Seesterne.
Rezension zu:
Homosexualität im Profifußball - ein letztes Tabu?
26. März 2024
„Mutproben“ von Thomas Hitzlsperger ist nicht nur die Geschichte (s)eines Coming-outs, sondern auch die beachtenswerte Entwicklung eines jungen Mannes vom elterlichen Bauernhof in die Welt des Profifußballs. Das Buch liest sich sehr spannend und gibt Einblick in die Welt des Profifußballs in der der schnöde Mammon mehr zählt, als der einzelne Spieler.
Wie könnte es sonst sein, dass die Fußball-WM an Länder wie Quatar und Saudi-Arabien vergeben wird, in denen Menschen- und Frauenrechte aufs Gröbste vernachlässigt sowie Homosexualität bestraft werden?
Warum wird männliche Homosexualität gerade im Fußball so vehement negiert und abgestritten? Weil im Fußball eine ureigene männliche Identifikation innewohnt?
Hitzlsberger geht, wie die ehemalige Bundesliga-Spielerin Tanja Walther-Ahrens in ihrem 2011 erschienen Buch „Seitenwechel“ der Frage nach, wieso es im männlichen Fußball nahezu unmöglich ist, seine Homosexualität als aktiver offen zu leben. Es scheint, dass hier ein archaisches Männlichkeitsideal in den Köpfen von Trainern, Spielern, Funktionären und Fans tief verwurzelt zu sein, das voller Widersprüche steckt.
Dazu passen auch die überschwänglichen, oftmals peinlichen Umarmungen oder Gesten nach einem Tor oder gar einem Sieg. Hier scheint wenig Männliches vorhanden zu sein. Auch der auffallend zur Schau gestellte Körperkult zahlreicher Spieler trägt zur Doppelmoral bei. Da wird tätowiert, die Haare gestylt, Zopferl geflochten und die Sixpacks zur Schau gestellt und gleichzeitig die Homosexualität geleugnet.
Die Antworten auf die Frage, warum es für aktive Profifußballer so schwer ist, sich als homosexuell zu outen, sind nicht leicht zu finden. Hitzlsperger beschreibt die inneren Kämpfe, das Für und Wider eines Outing sehr anschaulich. Er erzählt aus eigener Erfahrung vom Klima in der Kabine, der Reaktion von Öffentlichkeit und Medien sowie und deren Folgen für ihn als Einzelnen. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass seit Hitzlspergers Coming Out vor nun gut 10 Jahren kein aktiver Fußballer in Deutschland den Schritt gewagt hat.
Weltweit gibt es rund zehn männliche Fußballprofis, die sich zu ihrer Homosexualität bekennen. Das Thema scheint weiterhin unter den Teppich gekehrt zu werden.
Hitzlsperger erzählt von Justin Fashanu, dem Pionier aus England. Er war der erste Spieler, der sich 1990 (!) während seiner Profikarriere geoutet hatte. Fashanu war mit einer Welle an Ablehnung konfrontiert. Sein Trainer Brian Clough beschimpfte ihn vor versammelter Mannschaft etwa als "verdammte Schwuchtel". Fashanu wurde gleich doppelt diskriminiert: schwarz und schwul - eine unheilvolle Kombination, die ihn letztlich das Leben gekostet hat. Nachdem er von einem Minderjährigen der Vergewaltigung beschuldigt worden ist, begeht er Selbstmord.
Gemeinsam mit Co-Autor Holger Gertz erzählt Thomas Hitzlsperger in seiner lebendigen Autobiografie zahlreiche Anekdoten, zeigt aber auch seine verletzliche Seite als seine Persönlichkeit. Dabei wirkt Hitzlsperger, „Hitz the Hammer“ wie ihn die Engländer auf Grund seines scharfen Schusses nennen, geerdet. Er ist Vorbild. Sein Aktivismus ist leise und bestimmt, Brachialgewalt ist nicht das Seine. In seinem Buch verknüpft er Privates mit Öffentlichem. Er spricht sachlich und ohne die weit verbreitete Heuchelei die Widersprüche im Männerfußball an. Dabei ist er weder selbstgerecht oder belehrend oder suhlt sich in Selbstmitleid.
Dass Homophobie im Männerfußball noch immer sehr weit verbreitet ist, zeigt sich bei fast jedem Wiener Derby ein Bild machen. Die schwulenfeindlichen Fangesänge gehören genauso zum schlechten Ton eines Spiels zwischen Rapid und der Austria wie das spezifische Umfeld, das diese toxische Männlichkeit fördert.
Dass Hitzlpergers Buch nur wenige Wochen nach dem Eklat im Anschluss an das letzte Wiener Derby erschienen ist, ist wohl ein Treppenwitz der Geschichte. Was ist da passiert? Nach dem Sieg Rapids sind Funktionäre, Spieler und Fans durch homophobe Schlachtgesänge mehr als unangenehm aufgefallen. Rapid-Präsident Alexander Wrabetz sollte Hitzlspergers Buch als Pflichtlektüre für Spieler, Fans und Funktionäre seines Vereins einführen.
Dabei könnte gerade der Fußball einiges zur Akzeptanz von Homosexualität bewirken, denn "Der Ball ist rund und kann deswegen mehr ins Rollen bringen als viele es sich vorstellen können."
Fazit:
Dieser Autobiografie, die Pflichtlektüre für Fußballfunktionäre, Spieler und Fans sein sollte, gebe ich gerne 5 Sterne.
Rezension zu:
Auftakt zu einer fesselnden, historischen Krimi-Reihe
25. März 2024
Autor Walter Christian Kärger verlässt mit diesem Krimi den Bodensee und die Gegenwart und entführt uns in das München von 1886. Es ist die Regierungszeit von Ludwig II., der seit einiger Zeit als nicht mehr regierungsfähig gilt.
Hajo von Zündt ist Pathologe und begeisterter Amateurkriminologe. Gemeinsam mit seinem Freund und Adoptivbruder Adam Bittencourt sowie Charlotte Brauchitsch, die ihn bei seinen Sektionen als Assistentin unterstützt, gerät er diesmal in einen Strudel von Verbrechen, der seine Schatten bis in höchste Kreise wirft.
Zunächst beginnt alles (fast) harmlos: Hajo und Charlotte obduzieren auf Wunsch von Kommissar Manteuffel eine Wasserleiche und entdecken, dass die Frau, Marianne, ertränkt worden ist. Schlimmer noch, sie war schwanger und ehedem im Elternhaus von Hajo als Dienstmädchen angestellt. Nachdem man ihren Verlobten ausgeforscht und verhaftet hat, begeht dieser Selbstmord, was als Schuldeingeständnis gewertet wird. Fall erledigt, Akte geschlossen. Punktum.
»Manteuffel ist der Einzige im gesamten Polizeiapparat, der seinen Beruf ernst nimmt und einen Fall nicht für abgeschlossen erklärt, nur weil das Opfer aus einfachen Verhältnissen stammt und kein Hahn danach kräht. Da ich das respektiere und unterstütze, bin ich ihm in dieser Angelegenheit gerne behilflich.«
Bei einem Treffen im Haus von Zündt bemerkt Manteuffel, dass das tote Dienstmädchen nicht die einzige Tote sei. Im Zeitraum von einem Jahr sind weiter zwei Mädchen tot aus der Isar gefischt worden und von drei anderen fehlt jede Spur. Allen gemeinsam ist, dass sie als Dienst- oder Schankmädchen gearbeitet haben, und so weit bekannt, ledig waren und keine Angehörigen hatten.
Um Herauszufinden, warum sich Marianne gegen ihren Angreifer nicht zur Wehr gesetzt hat, stellt Hajo mit Charlotte in Anwesenheit von Adam und Manteuffel, den Mord an Marianne im Zündt’schen Badezimmer nach und kommt zu einer höchst gefährlichen Erkenntnis: Der Tod des Mädchens wurde als Suizid inszeniert, um vom Täter abzulenken. Nur, wer kann der Täter sein?
Dann beginnt höchst bemerkenswerte Ermittlungen, die Hajo, Adam und Charlotte nicht nur in höchste adelige Kreise führen, sondern eine Verschwörung aufdecken lassen und sie mehrmals in akute Lebensgefahr bringen.
Meine Meinung:
Mit diesem Krimi ist Walter Christian Kärger ein fesselnder historischer Krimi gelungen, der nicht nur persönliche Abgründe degenerierter Adelige aufdeckt, sondern auch Einblick in die von Standesdünkel dominierte Welt gibt. Wir erfahren von Frauenvereinen, die sich für Frauenbildung, das Frauenwahlrecht und überhaupt für die Verbesserung der Lebensbedingungen von Frauen einsetzen. Dass das Leben von adeligen Frauen, die genau wie ihre bürgerlichen Zeitgenossinnen von den Launen ihrer Väter, Brüder, Vormunden und schließlich ihren Ehemännern abhängt, und mitunter auch nicht immer ein Zuckerschlecken ist, macht Annette von Valleys Schicksal deutlich.
Sehr geschickt erklärt der Aurot die neuen Methoden der Kriminalistik, die Hajo aus Büchern erlesen und ausprobiert hat. Fingerprints, also die Daktyloskopie wird erst ab 1903 in Deutschland eingeführt. Federführend war hier Dresden. Hier darf Hajo von Zündt ein wenig experimentieren.
Die Charaktere sind ausgezeichnet gelungen. Die Handlung ist komplex konzipiert. Ich habe recht bald einen Verdacht gehabt, wer hinter den ganzen Morden steht. Allerdings hat mich der werte Herr Autor eine Zeit lang ein wenig auf den Holzweg geführt.
Wir dürfen auf eine Fortsetzung hoffen, denn mitten in die Feierlichkeiten zur gelungenen Aufklärung der Morde an den Dienstmädchen und des geplanten Regierungsumsturzes platzt die Nachricht, der entmündigte König, Ludwig II. und sein Arzt Bernhard von Gudden, der ja in diesem Krimi auch eine Rolle gespielt hat, am Starnberger See ertrunken sind. Prinzregent Luitpold erteilt Hajo von Zündt höchstpersönlich den Auftrag, die Umstände der tragischen Ereignisse zu ermitteln.
Fazit:
Ein gelungener Auftakt einer historischen Krimi-Reihe aus dem München des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Gerne gebe ich diesem fesselnden, komplexen Krimi 5 Sterne und eine Leseempfehlung.
Rezension zu:
Ein Urlaubskrimi
24. März 2024
Dieser Krimi ist der fünfte aus der Reihe rund um Ispettore Enrico Rizzi und seine Kollegin Antonia Cirillo. Für mich ist er der erste. Schauplatz ist die schöne Insel Capri.
Als die Modedesignerin Rosalinda Fervidi tot im Beichtstuhl der Kirche entdeckt wird, muss Inselpolizist Rizzi anrücken, denn die Frau ist ermordet worden. Gefunden hat sie der Straßenkehrer Salvatore, der manchmal in der Kirche ein Nickerchen macht. Während sich Rizzis Vorgesetzte auf Salvatore als Täter einschießen, beginnen Rizzi und Cirillo das private wie geschäftliche Umfeld der Toten zu beleuchten.
Rosalinda ist Designerin und verkauft ihre Lederwaren gemeinsam mit ihrer Lebenspartnerin Alessandra Nobile in einer kleinen Boutique. Während der Ermittlungen stellt sich heraus, dass nach einem Besuch Rosalindas bei Signora De Lulla, einer ehemaligen Schauspielerin, eine blaue Handtasche fehlt. Aber nicht irgendeine, sondern die „Blaue Salamander“. ein exklusives Designerstück, von dem es angeblich nur zwei gibt. Eben jene von Signora De Lulla und eine von Sophia Loren. Das Besondere an der Handtasche ist das Leder aus der sie gefertigt worden ist: Gegerbte Haut der lucertola azzura, einer Eidechsenart, die ausschließlich auf Capri lebt und entsprechend selten ist.
Was hat diese Handtasche mit dem Mord an Rosalinda Fervidi zu tun? Lohnt es sich, für ein solches Designerstück zu morden oder ist das nur eine falsche Spur und das Motiv liegt ganz wo anderes?
Meine Meinung:
Dieser Krimi ist einer der leisen Töne, auch wenn hier in Capri das eine oder andere Mal das südländische Temperament mit einem Charakter durchgeht.
Luco Venturas Schreibstil ist angenehm zu lesen. Man kann das Meer hören und die Früchte der Insel schmecken. Das Flair Capris mit seinen steilen Gässchen in denen man sich entweder zu Fuß oder mit einer Vespa fortbewegt, ist sehr gut beschrieben.
DIe Charaktere sind recht gut ausgearbeitet. Sie haben so ihre Ecken und Kanten sowie ihre privaten Sorgen. Enrico Rizzi, er ist geschieden und leidet nach wie vor daran, dass gemeinsam Kind mit seiner Ex-Frau als Baby gestorben ist, lebt nun mit Gina zusammen, deren Ex-Mann Carlo ein ziemlich zwielichtiger Charakter ist. Da Capri eine kleine Insel ist, läuft man sich häufig über den Weg. Auch das Privatleben von Antonia Cirillo ist nicht ganz einfach, steht doch der Besuch von Oscar, ihrem fast erwachsenen Sohn an.
Vielleicht ergibt es sich, den einen oder anderen Vorgänger dieser Reihe zu lesen.
Das Cover entspricht den Vorgaben des Diogenes-Verlag, mattweiß, mit schwarzer Schrift und einem Bild in der MItte, das Lust auf Capri macht. Damit die Leser ein Bild der Lage von Capri im Golf von Neapel haben, gibt es im Vorsatzblatt eine Karte.
Fazit:
Gerne gebe ich diesem Krimi, der sich gut als Urlaubslektüre eignet, 4 Sterne.
Rezension zu:
Fesselnd bis zur letzten Seite
23. März 2024
Dass Zwillingsschwestern manchmal die Rollen tauschen, ist seit Erich Kästners „Das doppelte Lottchen“ mehrfach in die Literaturgeschichte eingegangen. In diesem Krimi hat Silke Ziegler eine höchst spannende Variante geschrieben.
Die eineiigen Zwillingsschwestern Charlène und Aurélie gleichen sich zwar äußerlich so sehr, dass sie von niemandem auseinander gehalten werden können. Doch charakterlich scheinen sie weit von einander entfernt. Aurélie ist kunstsinnig, malt und arbeitet als Lehrerin. Sie wirkt verträumt, während Schwester Charlène zielstrebig bis unnachgiebig ist und als Journalistin arbeitet.
Als Charlène Aurélie eines Tages ersucht, sie für einen Abend bei Bastien, ihrem Ehemann, „zu vertreten“, kann Aurélie nicht nein sagen. Ob es daran liegt, dass Charéne so nachdrücklich darauf besteht, oder weil sie doch heimlich nach wie vor in Bastien verliebt ist und sie sich das nicht eingestehen kann, ist nicht ganz klar auszumachen. Jedenfalls tauschen die Schwestern Klamotten Handtasche und Mobiltelefon sowie ihre Rollen und kann sich keinen Reim darauf machen.
Erst als Bastien von Aurélie angefertigte Skizzen im Haus entdeckt, ist sein Argwohn geweckt. Die beiden beschließen, vorerst den Status Quo beizubehalten und auf eigene Faust zu recherchieren.
Die Lage spitzt sich weiter zu, als bei einer männlichen Leiche in Narbonne die DNA von Charléne, die ja als Aurélie gilt, gefunden wird. Als dann auch noch Bastien verhaftet wird, muss Aurélie die Karten auf den Tisch der Ermittler legen.
Meine Meinung:
Ein ziemlich komplexer Krimi, denn er beginnt mit dem Prolog, in dem die Zwillinge knapp sechs Jahre alt sind. Man weiß bis ziemlich zum Schluss nicht, warum die Lage so eskaliert ist. Die dazwischen eingeschobenen Auszüge aus dem Charlénes Tagebuch lassen zwar die eine oder andere Idee aufkommen, aber nichts genaues weiß man nicht.
Die Story ist spannend, weil sich statt Antworten, ständig neue Fragen ergeben. Warum Aurélie sich nicht schon früher Bastien und/oder der Polizei anvertraut hat? Mehrmals habe ich gedacht, jetzt, endlich, deckt sie den Rollentausch auf. Nein, wieder nichts! So dreht sich die Spirale immer schneller. Dass Bastien, Charlénes Ehemann nicht erkennt, dass es sich um die Zwillingsschwester handelt? Nun ja, die Beziehung ist ziemlich toxisch und die tote Schwester eine Manipulatorin der ersten Klasse, die vor nichts zurückschreckt, um ihre Ziele zu erreichen.
Dieses Verwirrspiel hat mit gut gefallen, denn man sieht nur, was man sehen will.
Die Charaktere sind gut herausgearbeitet. Hin und wieder habe ich mir zwar gedacht, dass kann doch nicht sein, dass weder in der Arbeit, im Freundeskreis noch beim Ehemann fallen die Veränderungen im Wesen Charléne/Aurélie auf. Die ermittelnden Polizisten haben zwar ein unterschwelliges Gefühl, dass in dieser Dreiecksgeschichte etwas nicht stimmt, können dies natürlich nicht belegen. Das Schweigen der Beteiligten erleichtert ihre Ermittlungen nicht wirklich.
Fazit:
Das Thema eineiige Zwillinge samt bizarrem Rollentausch ist fesselnd umgesetzt worden. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.
Rezension zu:
ein gelungener Auftakt zu einer neuen Krimi-Reihe
23. März 2024
Die neue Reihe von Beate Maly spielt im Wien von 1906. Liliane „Lili“ Feigl lebt mit ihrem alkoholkranken und spielsüchtigen Vater in einer heruntergekommenen Behausung im Magdalenengrund, von allen oft nur „Ratzngrund“ genannt. Der Vater, früher Maler und Dokumentenfälscher verliert auf Grund des übermäßigen Schnapskonsums und der nachlassenden Sehkraft zusehends die Fähigkeit, Dokumente sorgfältig zu fälschen. Seit einiger Zeit muss Lili, die diese Begabung geerbt hat, hier aushelfen, um sich und den Vater über die Runden zu bringen, andernfalls müsste sie sich als Prostituierte verkaufen. Als sie am Naschmarkt bei einem kleinen Diebstahl erwischt wird, lässt sie Kommissar Max von Krause, unter der Bedingung, sie möge sich eine ehrliche Arbeit suchen, laufen. Denn im Moment plagen ihn andere Sorgen als ein Lebensmitteldiebstahl. Es sind raffiniert und sorgfältig gefälschte Dokumente im Umlauf.
Wenig später erhält Lili eine Stelle als Putzfrau im Atelier der Wiener Werkstätte, einer Künstlerwerkstatt, in der Frauen ihre Begabungen ausleben dürfen. Blöderweise findet Lili dort die Leiche einer der Künstlerinnen und sieht sich sogleich dem ermittelnden Beamten gegenüber: Max von Krause.
Meine Meinung:
Ich kenne alle Bücher von Beate Maly, sei es ihre historischen Romane aus dem mittelalterlichen Wien, wie die Hebammen-Serie oder jene Krimis mit Ernestine Kirsch und Anton Böck, die in der Zwischenkriegszeit spielen. Allen ist gemeinsam, dass sie sorgfältig recherchiert und gekonnt erzählt sind. Deshalb habe ich mich auf diesen historischen Krimi, der im Fin de Siècle angesiedelt ist, sehr gefreut. Der Schauplatz ist allerdings nicht im mondänen großbürgerlichen Wien angesiedelt, sondern in den bettelarmen Vorstädten. Allerdings, das zeigt die Herkunftsgeschichte desMax von Krause, ist die Welt der Adeligen auch nicht mehr das, was sie einmal war. Obwohl viele von ihnen verarmt sind, versuchen sie auf Biegen und Brechen ihre Scheinwelt aufrecht zu erhalten und geraten dadurch in den Fokus von gerissenen Kriminellen.
Wie immer, hat Beate Maly ausgiebig und aufwändig recherchiert. Die Ateliers der Wiener Werkstätte eignen sich als Hintergrund von Eifersüchteleien und Neid ausgezeichnet- Sehr gut hat mir die Darstellung der weiblichen Wiener Künstlerszene gefallen. Frauen ist ja der Zutritt zur Akademie verboten. Sie sind höchstens als Kunsthandwerkerinnen geduldet. Wie später dann im Dessauer Bauhaus, sollen sich die Frauen mit ein bissen Stoffdesign, Keramik oder Teppichknüpfen - alles „weiblichen“ Künsten, bescheiden. Bildende Künstlerinnen wie Malerinnen oder Bildhauerinnen gelten als unweiblich.
Der Schreibstil ist bildhaft und daher angenehm zu lesen. Wir können mit den Protagonisten auf dem Naschmarkt Lebensmittel einkaufen, im Café Griensteidl, das im Augenblick Café Reil heißt, unseren Kaffee schlürfen und in den leicht heruntergekommenen Palais so mancher Adeligen einer Soiree beiwohnen, die nur mehr ein matter Abglanz der früheren Herrlichkeit ist.
Beate Malys Konzept, mit der jungen Dokumentenfälscherin, einer intelligenten, ziemlich selbstbewusste Protagonistin, und dem von Standesdünkeln befreiten Kommissar, zwei gegensätzliche Figuren, die aber doch mehr gemeinsam haben, als man glaubt, ist aufgegangen. Beate Maly ist es wieder ausgezeichnet gelungen, die ärmlichen Verhältnisse darzustellen und sympathische Protagonisten zu erschaffen. Sowohl Lili als auch Max wollen ihre Herkunft hinter sich lassen, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Beide haben moderne Ansichten. Sie scheinen ein gutes Gespann zu sein, aus dem vermutlich (?) mehr werden kann, was natürlich auch für Konflikte sorgen wird. Der einzige Sohn einer Adeligen und die einzige Tochter eines Verbrechers? Stoff für weitere Krimis.
Herausragend wie immer ist die Cover-Gestaltung. Das Jugendstilmotiv passt hervorragend zum Inhalt und Setting. Der Emons-Verlag hat bei der Gestaltung des Cover ein sehr gutes Auge (und Händchen).
Fazit:
Gerne gebe ich diesem historischen Krimi, der einen differenzierten Blick auf die „gute alte Zeit“, die so gut gar nicht war, 5 Sterne, eine Leseempfehlung und hoffe auf eine Fortsetzung .
Rezension zu:
Herrlicher Krimispaß
23. März 2024
Sie hat es schon wieder getan! Wer? Was? Tatjana Kruse, die Queen der Krimödie, hat einen Krimi geschrieben, der an Skurrilität und herrlichen Klischees nichts zu wünschen übrig lässt.
Worum geht’s?
Als die Steuerberaterin Astrid Vollrath ihren Partner Hagen mit Gabi, der Nachbarin, im Bett erwischt, verlässt sie ihn und die gemeinsame Firma Hals über Kopf, steigt in den nächsten Zug ein und in Venedig aus. Das trifft sich (fast) perfekt, denn sie wollte Vendig aj schon immer sehen.
Blöderweise ist gerade Hauptsaison und die Hotels sind ausgebucht. Nur in der Via Dolorosa 1, findet sie ein kleines, ein wenig heruntergekommenes Zimmer. Was sie nicht weiß, ihr Zimmervermieter handelt nicht ausschließlich mit Gipsköpfen von Dogen. So gerät Astrid unversehens in mafiöse Verstrickungen, die eine zunächst harmlose Gondelfahrt, Verfolgungsjagden (mit Motorbooten natürlich), Scharfschützen, Entführungsversuchen und einem Besuch der Guardia di Finanza, der ungeahnte Möglichkeiten sowohl für die Famiglia als auch für Astrid eröffnet.
Die Frage ist nur, wird Astrid ihre Ideen auch umsetzen können oder endet sie als Wasserleiche im Canal Grande?
Meine Meinung:
Wie wir es von Tatjana Kruse gewöhnt sind, tobt sie sich wieder mit ihrem komödiantischen Schreibstil aus. Stellenweise musste ich so herzlich lachen, dass ich einen Bauchmuskelkater bekommen habe und mein Mann seine Stirn in ein hübsches Plissée gelegt hat, auf dem zahlreiche Fragezeichen zu sehen waren.
Besonders die Verfolgungsjagd durch die Kanäle der Serenissima könnten komischer nicht sein. Astrid rast mit einem gestohlenen Motorboot während der Rushhour durch die Stadt, Flugkünste inklusive und das in einem blau-weiß gepunkteten Kleid. Da bekommt man als Leser natürlich Schnappatmung. Und klar ist auch, dass es hier ein Smartphone-Video gibt, das viral geht und Hagen auf den Plan ruft.
Fazit:
Gerne gebe ich dieser Krimödie, die mich bestens unterhalten hat, 5 Sterne und eine Leseempfehlung.
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