Inhalt
Vorwort: Luise Reddemann 7
Wozu dieses Buch? 9
1. Einführung: Traumatherapie unter günstigen Umständen 14 Faribas Geschichte 14
Andreas Geschichte 26
Einige Gedanken und Erläuterungen 30
2. Therapie mit Flüchtlingen - Erschwernisse und Schikanen 39
Die Geschichte von HerrnKadir 39
Magomeds Geschichte 46
Die Geschichte von HerrnBisultanov 56
Helfer, die »im Dreieck springen«. Gegenübertragung und zwei EgoStates 64
Victim, Survivor und Trickster. Die notwendige Differenzierung der Wahrnehmung 72
3. Abwehr des Traumas und Verfolgung der Opfer 77
Masters of Denial 77
Der psychotische Kosmos 87
Der Neid 91
Das Gewissen 95 Die Neunmalklugen 99
Gesichter, Kinder, Augen 104 Sadismus und Autoritarismus 110
4. Ein Europa der Menschenjagden? 119
5. Begegnung mit Kinderüberlebenden des Nazi-Terrors.135 Die Geschichte von FrauOgris 135
Die Geschichte von FrauSeebacher 152 Knoblauch, Rotkäppchen und ein Sommer 159
6. Die Schatten der Schuld - an den Grenzen der Psychotherapie 166
7. Versöhnung, Vergebung und Behandlung der Opfer 182
Zur Funktionvon Vergebungin der Therapie 182
Versuch eines Dialogs mit kirchlichen Tätern. Ein Gespräch mit Pfarrer Jürgen Öllinger 192
8. Gebrochenes Selbst - zerbrechende Welt. Trauma, Identität und Gesellschaft 199
9. Anhang: Was wirkt, was hilft? 223
Danksagung 238
Literatur 240
Die oft schwer traumatisierten Flüchtlinge werden bei uns grob vernachlässigt, nicht selten sogar durch Bürokratie und unsere Ignoranz retraumatisiert. Klaus Ottomeyer hat Behandlungsstandards entwickelt, die das psychotherapeutisch und zwischenmenschlich Nötige praxisnah formulieren.
Vorwort
Das Anteilnehmen an extrem belastenden Erfahrungen hat in den letzten Jahren zugenommen, und das ist erfreulich. Das Bedürfnis, Schlimmes von sich fernzuhalten, um davon nicht »angesteckt« zu werden, ist ja verständlich. Denn vieles spricht inzwischen dafür, dass die meisten Menschen gar nicht anders können, als das Leiden anderer auch mitzufühlen.
In der Beschäftigung mit traumatischen Lebenserfahrungen und deren Folgen scheint es jedoch eine unbewusste Hierarchie im öffentlichen Diskurs zu geben. Zunächst stoßen Naturkatastrophen und deren Folgen auf breites öffentliches Interesse, danach kommen, zumal in letzter Zeit, die Opfer von Gewalt und sexueller Gewalt in der Familie und im familiären Umfeld, siehe im Frühjahr 2010 die Anteilnahme der Öffentlichkeit an den Folgen von Traumatisierungen von Kindern in Schulen, Heimen etc.
Doch wer weiß, auch unter Fachleuten, um das Grauen, das Menschen, die als Asylsuchende oder als hochbetagte Opfer des NS-Terrors zu uns kommen, erlitten haben? Wenn man bedenkt, dass Terrence des Prés wichtiges Buch »Der Überlebende - Anatomie der Todeslager«, das auf Englisch 1976 erschien, auf Deutsch erst im Jahr 2008 herauskam, so kommt man nicht umhin, eine Scheu und Vermeidungstendenzen im Umgang mit kollektiv zugefügtem Leid zu vermuten. Vielleicht weil die Opfer von staatlichem und politischem Terror uns an unsere Geschichte als Tätervolk erinnern?
Umso wichtiger erscheint es mir, dass Klaus Ottomeyer und sein Team bei Aspis in Klagenfurt sich der Opfer staatlicher und politischer Gewalt annehmen, so wie es einige ähnlich ausgerichtete Beratungsstellen in Deutschland ebenfalls tun. Die Zahl dieser engagierten Kolleginnen und Kollegen ist nicht groß im Vergleich mit den vielen, die sich heute um Psychotraumata kümmern. Es könnte allerdings auch ihnen widerfahren, dass ein Mensch, der Opfer von Krieg, Vertreibung und Folter ist, in die Praxis kommt. Und dann werden sie sich vor die Herausforderung gestellt sehen, dass ihr Handwerkszeug zum Umgang mit den speziellen Traumafolgen bei Weitem nicht ausreicht.
Das Buch von Klaus Ottomeyer fordert uns heraus, uns mit der Geschichte Mitteleuropas im 20. Jahrhundert genauer zu befassen und zur Kenntnis zu nehmen, dass nicht weit entfernt von uns Menschen gequält und gefoltert werden.
Klaus Ottomeyer zeigt, wie er und sein Team mit diesen Menschen arbeiten. Es wird deutlich, dass vieles gebraucht wird, vor allem aber mitfühlende Menschlichkeit und ein weit über das übliche professionelle Engagement hinausgehender Einsatz. Die Fallgeschichten in Klaus Ottomeyers Buch werden wohl kaum jemand kalt lassen. Ich habe mich immer wieder bei der Lektüre geschämt, eine Europäerin zu sein und Teil eines Systems, das alles tut, um Menschen mit diesen und ähnlichen Geschichten nicht die notwendige Fürsorge angedeihen zu lassen.
Mit breitem psychoanalytischem Hintergrund und tiefem Verständnis für seine Patientinnen und Patienten gelingt es Klaus Ottomeyer, die Leserin und den Leser auf eine Reise in die innere und äußere Welt der Opfer mitzunehmen. Von ihm ist zu lernen, wie man den Opfern begegnen kann: als Mensch und als professionell handelnde Therapeutin.
Das Buch vermittelt sowohl tiefenhermeneutisches wie sozialpsychologisches Wissen und Verstehen und zeigt, wie man dieses Wissen praktisch und kreativ umsetzen kann.
Ich wünsche diesem Buch viele Leserinnen und Leser. Denn seine Lektüre hilft, schwer traumatisierten Menschen mit weit mehr als Technik zu begegnen.
Luise Reddemann
Wozu dieses Buch?
Der Titel des vorliegenden Buches »Die Behandlung der Opfer« klingt zunächst mehrdeutig oder vielleicht auch anmaßend. Aber seine Mehrdeutigkeit ermöglicht es mir zu erklären, worum es mir geht.
Es geht erstens darum zu zeigen, dass es möglich ist, Menschen, die traumatisiert sind, die
Im Umgang mit traumatisierten Menschen messen wir mit zweierlei Maß.
Während Opfer von Missbrauch und Familiengewalt oder von Großschadensereignissen und Naturkatastrophen im heutigen Europa mit dem vollen therapeutischen Unterstützungsprogramm rechnen können, werden die oft schwer traumatisierten Flüchtlinge und Opfer politischer Gewalt grob vernachlässigt.
Und mehr als das: Nicht selten wird diese Personengruppe durch unsere Behörden, unsere Bürokratie und durch unsere Ignoranz retraumatisiert. Auf der Basis seiner Arbeit mit Flüchtlingen und Opfern des Nazi-Regimes, deren Geschichten eindringlich erzählt werden, hat Klaus Ottomeyer Standards entwickelt, die das therapeutisch und zwischenmenschlich Nötige praxisnah formulieren. Darüber hinaus wird der gesellschaftliche Hintergrund für unseren Umgang mit den Opfern beleuchtet.
ZIELGRUPPE:
- Traumatherapeuten
- Psychotherapeuten aller Schulen
- beratende Psychologen
- Sozialarbeiter
- ehrenamtliche Helfer in der Flüchtlingsbetreuung