Der Ratgeber für Single-Eltern
Nach einer Trennung haben Mütter und Väter mit großen Herausforderungen zu kämpfen. Zum Schmerz über das Scheitern der Beziehung kommt oftmals der Kampf um die Kinder. Auch wenn es das Paar, das man einmal war, nicht mehr gibt, soll den gemeinsamen Kindern ein unbeschwertes Aufwachsen mit beiden Elternteilen ermöglicht werden. Doch das ist leichter gesagt als getan. Die Realität des österreichischen Familienrechts konfrontiert getrennt lebende Mütter und Väter mit oft ungeahnten Schwierigkeiten.
Familienrechtsexpertin Eva Schmelz bespricht in ihrem Ratgeber alle Themen, die für alleinerziehende Mütter und Väter wesentlich sind: Welche Schritte sind in Bezug auf Namensrecht und Vaterschaftsfestellung zu setzen? Wie können so essenzielle Punkte wie Obsorge, Kindesunterhalt und Kontaktrecht geregelt werden? Welche Unterstützungsleistungen gibt es und wie bekommt man sie? Was ist zu tun, wenn der Ex-Mann nicht zahlt? Welche Möglichkeiten hat man, wenn die ehemalige Partnerin einem die Kinder vorenthält? Welche Hilfen können Mediation, Elternberatung oder Kinderpsychologen geben?
Mit vielen Fallbeispielen, rechtlichen Hintergundinformationen und Mustervereinbarungen unterstützt dieses Buch gentrennt lebende Mütter und Väter bei der Bewältigung ihres herausfordernden Alltags als Single-Eltern.
Rechtsanwältin und Mediatorin mit Schwerpunkt Familien- und Scheidungsrecht in Wien.
Grundsätze des Kindschaftsrechts
Das Kindeswohl
Im Jahr 1977 führte das Gesetz über die Neuordnung des Kindschaftsrechts das Kindeswohl als Rechtsbegriff ein, dem heute eine ganz zentrale Bedeutung bei allen gerichtlichen Entscheidungen hinsichtlich Obsorge und Kontaktrecht zukommt. Ausschlaggebend bei der Beurteilung des Kindeswohls ist immer die jeweilige individuelle Situation, in der sich die Familie bzw. das Kind befindet. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, dass die gerichtlichen Entscheidungen stets gegenwarts- und zukunftsgerichtet getroffen werden. Den 16Gerichten geht es also nicht um eine Beurteilung der Vergangenheit, sondern sie setzen sich intensiv damit auseinander, welche Entscheidung jetzt und in Zukunft bestmöglich dem Wohl des Kindes entspricht.
Welche Kriterien die Gerichte bei der Beurteilung des Kindeswohls zu berücksichtigen haben, regelt
138 ABGB (Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch). Wichtige Punkte sind:
Angemessene Versorgung bzw. Lebensverhältnisse
Gemeint sind hier insbesondere die Versorgung mit Nahrung, die medizinische und sanitäre Betreuung, die Zurverfügungstellung von Wohnraum sowie eine sorgfältige Erziehung des Kindes. Hierbei spielt auch die finanzielle Situation der Eltern eine Rolle sowie die Frage, welche zeitlichen Ressourcen sie haben, sich um das Kind zu kümmern, wie groß ihre Wohnung ist, ob diese sauber ist und dergleichen.
Beispiel
Christoph und Tina trennen sich, gemeinsam haben sie Tochter Leonie, die zwei Jahre alt ist. Christoph zieht in ein Studentenheim, wo er ein Zimmer mit einem Freund bewohnt. Er wünscht sich, dass Leonie auch bei ihm übernachtet. Da er im Moment jedoch kein eigenes Zimmer und auch keine Schlafmöglichkeit für seine Tochter hat, entspricht ein Kontaktrecht, bei dem Leonie auch über Nacht bleibt, nicht dem Kindeswohl.
Ein wichtiges Kriterium bildet aber auch das Umfeld. Ob das Kind in einem geschützten Umfeld aufwächst, wird genau untersucht. Drogenprobleme im unmittelbaren Umfeld sind beispielsweise ein Kriterium, das dem Kindeswohl widersprechen kann.
Die Grundbedürfnisse des Kindes dürfen zu keiner Zeit gefährdet werden. Der Kinder- und Jugendwohlfahrtsträger, der, wie weiter unten dargestellt, das Wohl der Kinder zu überprüfen hat, wenn es zu gerichtlichen Verfahren kommt oder eine Gefährdungsmeldung von Dritten wie zum Beispiel von der Schule eingebracht wird, hält in fast allen Fällen in den Haushalten Nachschau, die zumeist unangekündigt erfolgt.
17Körperliche und seelische Integrität des Kindes
Bei diesem Punkt geht es um emotionale Wärme, Wertschätzung und Akzeptanz des Kindes durch die Eltern sowie eine gewaltfreie Erziehung:
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Wird das Kind in seiner Entwicklung unterstützt? Nehmen sich die Elternteile Zeit für ihr Kind oder wird es den ganzen Tag vor den Computer gesetzt und kaum mit ihm gesprochen?
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Werden die Anlagen, Fähigkeiten, Neigungen und Entwicklungsmöglichkeiten des Kindes gefördert? Wenn die Schule beispielsweise bemerkt, dass das Kind undeutlich spricht und eine Logopädin bzw. einen Logopäden vorschlägt, wird darauf geachtet, ob die Eltern diese Empfehlungen aufnehmen können und sich um eine entsprechende Förderung des Kindes kümmern. Probleme sehen und angemessen darauf reagieren ist hier ein wichtiger Punkt.
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Wie ist der Umgangston mit dem Kind und wird die Meinung des Kindes in Abhängigkeit von dessen Verständnis und Fähigkeit zur Meinungsbildung berücksichtigt? In diesem Zusammenhang werden sehr oft anhand der Kompetenz des Kindes, zu kommunizieren, Rücksc