Inhalt
Beschreibung
in einem februar, im winter vor einem frühjahr, in dem mein vater starb, vor einem sommer, in dem mein kind kam, ist mir ein schwan im haff festgefroren. jetzt schwimmt er im warmen kanal. kommt er an land, ist er clumsy, watschelt auf schwarzen füßen daher. diverse tierarten folgen ihm, es ist ein einziges gefiedertes desaster, eine monsterparade
– aber manchmal, manchmal sind es starlings, summende schwärme, manchmal fliegen sie von allein in formationen, eine murmuratio/n – und mein schwan dreht eine runde vor der brücke, schaut halb mordlustig und halb sehnsüchtig hinterdrein, als ob es drohnen wären und er hätte ihre fernsteuerung verschluckt.
ich atme sein wesen ein, wenn ich schreibe, ich atme es aus. ich bin ein chor, der sich einsingt, und ein raum, der hallt. ich bin unzählig und nicht vorhanden. ich spreche mit euch: ich bin mein monster und ihr seid seine variationen.
– Katharina Schultens
Besprechung
Stimmen zu Katharina Schultens
„Seltsam, dass Katharina Schultens’ Lyrik noch keine breitere Resonanz gefunden hat. Es mag an ihrer Widerständigkeit
liegen. Wer gute Gedichte will, muss sie auch aushalten können.“
– Beate Tröger, Der Freitag
„Die Kippspiele von Privatissime und Politika, die Schultens mit wenigen Zeilen konstruiert, verleihen den Gedichten von ‚gorgos portfolio‘ ungemeine Brutalität. Weil sie mit bedenklicher Leichtigkeit aufzeigen, wie weit die Verquickung von Leben und Kapitalismus fortgeschritten ist ... Es hilft ein Blick in ‚gorgos portfolio‘, um uns unserer Lähmung angesichts des Gesichtslosen wieder gewahr zu werden. Das tut weh, sicherlich. Aber damit auch: Sehr, sehr gut.“ ‒
– Kristoffer Cornils, www.fixpoetry.com
„Katharina Schultens hat Humor, und ihre Gedichte knistern erotisch.“
– Insa Wilke, Süddeutsche Zeitung
Textauszug
synopticon
es ist immer etwas dunkles unter einigen händen, es geben
aber nicht alle hände dunkles her, nicht unter allen händen
wird meine haut dunkel, krude, rohes öl.
rohstoff: nein, denn was können sie erzeugen.
es gibt einen fehler in allen händen, wenn sie dunkel erzeugen
einen riss in ihrer lesbarkeit, ich kann nur die simpelsten dinge
aufrufen, ich habe den wal verloren, euren schwarzen wal
euren schwan, eins davon war ich nicht. nicht eure schwester
nicht euer verräter im eigenen feuer, nicht die traurige frau
wenn sie ihren deckel zur welt fallen ließ, aus versehen
schlampe, idiot. mein haar fällt glatt, schwarze schwinge
sanfte dinge weiß ich zu sagen, als wären sie wahr
alles krasse sag ich und den schnitt seht ihr später
nein: er sitzt am dunkelsten punkt meiner ganzen
ganzen haut, sie reicht um euren wal, euren schmutz
um ein lagerfeuer und ein irres nest, drin ziehen
vogelarten ihre lieder wie kinder groß wie rauch, drin
quillt es aus einem riss, federn, feuerwerk und teer.