Allein im Wald
von Christian Groeger, 26. April 2015
August ist tot. Soviel steht fest. Die genauen Umstände seines Todes vor mehr als zehn Jahren liegen jedoch weitgehend im Dunkeln. Für Augusts Frau und seine Kinder war die Schuldfrage keine solche, ?Lisa war für seinen Tod verantwortlich?. Lisa, welche die Familie Jahre zuvor als Pflegekind aufgenommen hatte.
Seither lebt Lisa, die damals einen Schock erlitten hat und verstört geblieben ist, in einer Wohngemeinschaft und wird psychologisch betreut. Als Karin, die jüngste Tochter der Familie beschließt, Lisa zu sich zu holen und sich um sie zu kümmern, ist die Bestürzung und das Unverständnis über diese Entscheidung bei ihren Geschwistern und Augusts Eltern groß.
Karin, die als Übersetzerin arbeitet und mit ihrem Freund Alexander im Haus ihrer toten Eltern lebt. Ihre Mutter Inge starb nur wenige Jahre nach Augusts Tod. Das Zusammenleben mit Lisa gestaltet sich jedoch als schwierig, denn sie spricht kaum, nässt sich ein und betrachtet Alexander als störenden Fremdkörper, der entfernt werden muss, als Leerstelle, die einer innigeren Beziehung zu Karin hinderlich ist. Schon damals waren die beiden Mädchen unzertrennlich und auch jetzt nimmt dies rasch obsessive Züge an.
Was nun folgt ist ein psychologisches Kammerspiel allererster Güte. Abwechselnd wird die Geschichte aus der Perspektive der beiden charismatischen Frauen erzählt und erzeugt eine Spannung, einen Sog, dem man sich nicht entziehen kann. Die Intentionen der beiden treten niemals klar zu Tage, kaum meint man zu verstehen was sie antreibt, wird man kurz darauf eines Besseren belehrt. Überzeugend auch, wie dieselben Situationen von den zweien unterschiedlich erlebt und erfahren werden.
Die junge Wiener Autorin Elisabeth Klar, die zusammen mit Susanne Müller den Verein ?Literaturwerkstatt Wien? leitet, hat mit ihrem Debütroman ganz große Literatur geschaffen. Spannend von der ersten bis zur letzten Seite, atmosphärisch dicht, erotisch aufgeladen wird die Handlung mit hoher Sprachfertigkeit, ja Sprachkunst vorangetrieben.
Für mich eines der besten Bücher des heurigen Jahres. Absolute Leseempfehlung.