Eine düstere Welt
von Christian Groeger, 2. Juli 2015
Coin Locker Babys bezeichnet jene Neugeborenen, die in öffentlichen Schließfächern abgelegt werden. Eine, vor allem in den Achtziger und Neunziger Jahren des vorigen Jahrhunderts durchaus gängige Praxis in Japan.
Dieses Schicksal teilen die beiden Helden des bereits im Jahr 1980 erschienen Romans des japanischen Kultautors Ry? Murakami. Aus dem Original kongenial neu übersetzt von Ursula Gräfe.
Somit verleben also Kiku und Hashi ihre ersten Lebensjahre in einem Waisenhaus. Bis die beiden Unzertrennlichen eines Tages doch gemeinsam von einem Ehepaar adoptiert werden. Eine abgelegene Insel ist von nun an ihre neue Heimat.
So vergehen die Jahre im Leben der beiden Helden. Und während Hashi sich zum bisexuellen Rockstar wandelt, sucht Kiku nach wie vor nach einer Möglichkeit sich an jener Frau zu rächen, die ihn einst weggelegt hatte. Dies versucht er mit Hilfe seiner Freundin, einem Model, die ein Krokodil in ihrem Hochhausarpartement hält, zu verwirklichen. Jenes frühe Trauma sorgt immer noch für die Dämonen und alptraumhaften Visionen, welche Kiku und Hashi regelmäßig heimsuchen.
Was nun folgt, ist ein genresprengender Entwicklungs- und Bildungsroman allererster Güte. Der Autor spielt mit Versatzstücken der Horrorliteratur ebenso, wie auch soziale Mißstände oder Umweltskandale aufgezeigt werden. Sex spielt, wie in allen Romanen Murakamis, ebenfalls eine gewichtige Rolle.
Dieser frühe Roman Ry? Murakamis fügt sich nahtlos in dessen großes Gesamtwerk ein.